Klosterinsel Walaam

heute steht ein Ausflug mit dem Boot zur Klosterinsel Walaam auf dem Programm. Eigentlich ist es ein Archipel mit insgesamt über 50 verschieden großen Inseln im nördlichen Teil des Ladoga-Sees. Auf der größten von ihnen, eben Walaam, gibt es seit einigen hundert Jahren ein orthodoxes Männerkloster, das manchmal heutzutage mit dem Berg Athos verglichen wird, was aber m.E. nur eine oberflächliche Analogie ist, weil Athos viel stärker einschränkend eine Männerdomäne ist.

Walaam hat eine lange bewegte Geschichte, wechselte in der Zugehörigkeit zwischen Schweden, Finnland und Russland, wurde zweckentfremdet (nach der bolschewistischen Revolution war es Gefängnis, Lenins Bruder wurde hier nach seinem Attentatsversuch auf den Zaren hingerichtet), seit 1989 ist es wieder in Betrieb und wird renoviert. Jetzt leben wieder mehr als 100 Mönche hier.

Nach Walaam kommen täglich Dutzende von Schiffen, auch aus St. Petersburg gibt es eine Verbindung, und Hunderte von Touristen bevölkern die Insel. Fast alle kommen in Gruppen, die meisten wohl auch aus religösen Gründen, um in der Christi-Verklärungs-Kathedrale eine Kerze anzuzünden oder einen Wunschzettel für einen Heiligen abzugeben.

Frauen dürfen auf die Insel, im Innenhof des Klosters, nach Durchschreiten der heiligen Pforte, müssen Männer ihre Kopfbedeckung abnehmen und Frauen ein mindestens wadenlanges Kleid tragen. Viele russische Reisende oder Pilgerinnen wissen dies und haben einen langen Rock mitgebracht, den sie für den Besuch der Klosteranlage überziehen (und auf dem Boot wieder ausziehen). Andere, die dies nicht wissen, können am Eingang einen Rock-Ersatz, eine Art Schürze, ausleihen und anziehen.

Mir kommt diese Vorschrift hier genauso merkwürdig vor wie entsprechende Regeln z.B bei den Muslimen oder Mennoniten. Dahinter steckt doch ein eigenartiges Männerbild: wenn die Frauen sich so verstecken müssen, scheint man doch die Männer für triebgesteuerte Wesen zu halten, die schon beim Anblick eines jeansbedeckten Frauenbeines geil werden.

Wir haben uns eine Weile in der Kirche aufgehalten, gesehen, wie wichtig den meisten anderen dieser Besuch ist, wie ehrfürchtig sie sich immer wieder bekreuzigen und Bilder küssen und Kerzen spenden. In früheren Beiträgen unserer Reise haben wir ja schon beschrieben, wie eindrücklich diese intensiv gelebte Religiosität auf uns gewirkt hat, und das ist hier ebenso.

Manche (jüngere) Besucherinnen nutzen die Atmosphäre auch, um mal im privaten Foto-Shooting das Posieren für die zukünftige Laufbahn als Model zu üben:

Die Insel ist ziemlich groß, es gibt noch eine ganze Reihe anderer Kirchen, die entweder mit einem kilometerlangen Spazierweg auf staubigen Straßen, gemieteten E-Bikes oder gemietetem Golf-Karren (!) zu erreichen sind. Wir probieren es zu Fuß, geben nach 2km auf und kehren an den Hafen zurück, wo es im schattigen Obstgarten ein kleines Cafe gibt, in dem wir kontemplativ uns der Stimmung hingeben und Touristen beobachten können. Insgesamt hat mir dieser Ausflug gut getan, nur wegen der Kirchen würde ich nicht wieder hinfahren.

Ich (Mechthild) lese im Obstgarten der Klosterinsel gerade „Der Himmel auf ihren Schultern“ von Sergej Lebedew. Ein Enkel erkundet das Leben seines Großvaters, eines Lagerkommandanten aus der frühen Zeit der Sowjetunion. Mein skeptischer Blick zeigt, ich mag gar nicht glauben was ich da lese. Das Buch ist harte Kost aber ich kann es empfehlen.

 

 

Abends Mahlzeit in unserem Häuschen mit wunderbarem Rote-Bete-Salat, von Mechthild mit Smetana (das ist der russische Name für saure Sahne!) zubereitet, und tollem geräuchertem Fisch von einem kleinen Stand am Hafen.

Dort auch noch dieses Foto von einem typisch russischen Haus:

 

 

 

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Karl Verfasst von:

Ein Kommentar

  1. Christine
    10. Juni 2018
    Antworten

    Hmmmm, ich bekomme Hunger! Die Sache mit Smetana merk ich mir… Das hat Smetana sicher nicht gefreut. Deshalb hat er auch so viel komponiert, damit man weiß: „Saure Sahne“ stimmt nicht, sondern „frische Musik“….

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