weiter nach Norden, an der Adria-Küste hoch. Immer wieder faszinierende Ausblicke auf das Meer und die vorgelagerten Inseln, ein Besuch hier ist ja vorgeplant mit mehr Zeit auf einer der nächsten Etappen unserer langen Reise. Recht unvermittelt dann auf einmal Grenzkontrollen: wir kommen von Kroatien nach Bosnien-Herzegowina! Die Landkarte zeigt dann auch, dass es ein kleines Stück Adria-Küste um die Stadt Neum herum gibt, höchstens 10km lang, die zu Bosnien-Herzegowina gehört. Wir machen eine Pause in einem kleinen Cafe und kommen rasch mit der jungen sehr freundlichen Chefin ins Gespräch. Als wir nachfragen, wie denn dieses für uns so merkwürdig erscheinende „Kuchenstück“ zustande gekommen sei, berichtet sie, dass diese Gegend ganz früher zu Dubrovnik und also zum Königreich Kroatien gehört habe, und dass es in den Kriegen im Zerfall von Jugoslawien heftig umkämpft gewesen sei. Die Serben – von denen sie sich in erster Linie bedroht sah – hätten ihr Elternhaus hier bombardiert, als sie sieben Jahre alt war, weil sie in ihrem Großmachtstreben die gesamte kroatische Küste in Besitz nehmen wollten. Ihre Verwandten im Landesinneren hätten alles noch mehr mitbekommen, ihre Häuser seien quasi die Frontlinie gewesen und alle zerstört worden.
Es seien alles sehr komplizierte und verwickelte Abläufe in den letzten Jahrzehnten gewesen, und sie habe sich intensiv bemüht, das alles zu verstehen; sie empfahl dann dringend ein Buch, in dem diese ganzen Entwicklungen dargestellt würden, und sie will uns ein Exemplar nach Haus schicken (sie habe eins übrig). Auf meine Nachfrage: im Rahmen der ganzen Regelungen nach den Kriegen sei es zur Gründung einer serbischen Republik innerhalb von Bosnien-Herzegowina gekommen! Ich hatte schon zu meinem Erstaunen und zu meiner Irritation die Bezeichung „Republika Srbska“ im Gebiet gesehen, dass zu Bosnien-Herzegowina gehörte. Sie meinte dann, die Serben würden in in diesem Teilgebiet machen, was sie wollten, aber insgesamt habe sie keine Angst, dass jetzt der Krieg wieder ausbreche.
Diese kleine aber intensive Begegnung hat uns plötzlich den Kriege nahe gebracht, der vor nicht sehr langer Zeit hier tobte und zahllose Opfer forderte. Bulgarien hatte nicht gekämpft, Mazedonien war Opfer geworden von Großmacht-Entscheidungen und mußte sich mit dem Problem der Beziehungen zum Kosovo und den Albanern sowie den Griechen herumschlagen (aktuelle Konflikte in Kumanovo, s. dort!!), Albanien war betroffen, weil die vielen Kosovo-Albaner eine neue Heimat brauchten, Montenegro hatte nicht gekämpft, aber in Kroatien und Bosnien-Herzegowina tobten die Kämpfe heftig. Dubrovnik war ja auch bombardiert worden, und hier hatten wir auf einmal Kontakt zu einem jungen Menschen, der persönlich betroffen war und als Kind die Bombardierung seines Elternhauses erleben mußte!
Wir haben wohl beide das Gefühl gehabt, dass wir aktuell nicht mehr genügend Energie haben, um uns mit diesem Aspekt der Geschichte der beiden Länder zu beschäftigen, durch die wir gekommen waren, und beschlossen dann, in einem Rutsch weiter zu fahren. Die kroatische Autobahn A1 ist so hervorragend ausgebaut und hat so wenig Verkehr, dass wir mit dem erlaubten Tempo von 130km/h durch eine allerdings oft eintönige und auch langweilige Landschaft rasen konnten. Die Küste ist ja fern, vom Meer haben wir nichts mehr gesehen, baumlose Berge, Felsen, wunderbar gelb blühender Ginster, viele Brücken über die Autobahn mit kennzeichnenden Schildern, dass es sich um Passagen für Tiere handele (Bären!! Füchse!).
Sonne, 30 Grad, bei Zagreb auch mal 32 Grad, weiter nach Norden, durch Nordwestkroatien, durch Slowenien durch, nach Österreich in die Steiermark, Hotelsuche und letztlich erfolgreiche Landung in Lebrink St. Margarethen in der Nähe von Graz. Auf diesen ca. 500km verändert sich die gesamte Landschaft unglaublich im Vergleich zu insbesondere unserem letzten Standpunkt, Albanien: die Strassen immer besser, keine Schlaglöcher, die Dörfer und Städte gut ausgestattet, keine zusammenbrechenden Häuser mehr, modernere Autos, auch deutliche höhere Preise für alles.
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