Museen und Begegnungen

heute war ein Museumstag vorgesehen, aber erstaunlicherweise gibt es hier Museen, die am Sonntag und nicht am Montag geschlossen sind! So reduzierte sich unser Programm und nach dem Morgenkaffee vor der Kathedrale gingen wir als erstes in die Galerie 11/07/95, in der in einer Dauerausstellung an die Kriegsverbrechen in Srebrenica erinnert wird. Die Ausstellung ist ganz schlicht: auf einer Etage hängen an den Wändern Dutzende von sw-Photos von in Srebrenica ermordeten Muslimen, und in zwei Filmen wird der Ablauf der Katastrophe durch sehr persönliche Äußerungen von Frauen geschildert, die von ihren Männern getrennt worden waren und sie nie wieder sahen.

Srebrenica

Ich war sehr berührt durch diese Darstellung und spürte in mir, wie ich Haß entwickelte gegen diese verbrecherischen Serben, die unter Führung von Ratko Mladić und Radovcan Karadžić unter Mißachtung aller Beschlüsse der UNO mehr als 8000 muslimische Männer und Jungen planmäßg ermordeten. Weitere Reflexion und Gespräche mit Mechthild zwangen aber auch zu einer differenzierteren Betrachtungsweise, und wenn man die Jugoslawien-Kriege betrachtet, wird schon deutlich, dass alle involvierten Parteien zeitweise eine Verrohung zeigten, die entsetzlich ist und zu der Frage zwingen, wie es möglich ist, dass diese dünne Decke der Zivilisation zerreißt und nackte Gewalt auftaucht.

Am späteren Nachmittag trafen wir dann in einem Kaffee zufällig auf ein holländisches Ehepaar, die per Fahrrad von Dubrovnik aus den Balkan erkunden und schon an vielen Orten waren, die wir auch gesehen hatten. Neben vielen anderen Themen, die wir ansprachen, erfuhren wir auch, dass das Thema „Srebrenica“ auch in Holland noch nicht erledigt ist. Es ware ja holländische Blauhelme, die die Muslime eigentlich schützen sollten und es nicht konnten oder durften oder wollten. Viele der jungen Soldaten, die damals eingesetzt gewesen sind, seien durch diese Erlebnisse noch traumatisiert, und vor holländischen Gerichten würden noch mehrere Prozesse laufen, weil Angehörige von bosnischen Opfern die Regierung angeklagt hätten, am Tode ihrer Verwandten sich schuldig gemacht zu haben.

Nach dieser Ausstellung brauchte ich erst einmal etwas Zeit, um in das nächste Museum, das für jüdische Geschichte in Bosnien-Herzegowina, zu gehen, weil auch dies natürlich sofort an Verbrechen und Gewalt erinnern würde. Das Museum ist im ehemaligen alten Tempel untergebracht und macht einen ganz ruhigen entspannten Eindruck. Ein freundlicher Mann kassiert den üblichen Obolus, steht für alle Fragen bereit und in den nackten unverputzten Mauern des alten Tempels wird auf mehreren Etagen mit schlichten Mitteln (Bilder, Karten) die Rolle der Juden von Bosnien geschildert, von den sephardischen Einwanderungen über die Beziehung zu den Osmanen und die Verfolgung durch die faschistische kroatische Ustascha bis in die Gegenwart. Neben uns waren vielleicht noch 3-4 andere Besucher da, und insgesamt fand ich diesen Besuch zwar eindrücklich aber nicht belastend, vielleicht auch, weil auf einer Etage detailliert über Bürger Sarajevos berichtet wurde, die in der Zeit der Besatzung durch Deutsche und Kroaten jüdischen Mitbürgern halfen und in Yad Vashem in Jerusalem geehrt werden.

Nach der Mittagspause (in der Zeit gewitterte und regnete es tüchtig) gingen wir wieder los auf Erkundungstour. Der erste von mehreren Kaffees (mal Espresso, mal bosnischer Kaffee) war fällig in einem unglaublichen kleinen Cafe voller alter und an Wien und Jugendstil erinnernder Gegenstände (Lampen, Spiegel, Möbel, ach, ich kann die gar nicht alle erwähnen). Sehr schön, scheint in Touristenführern erwähnt zu sein, wir haben es zufällig gefunden.

Fischcafe2 Fisch-Cafe3

Dann suchten wir in der Altstadt in der Baščaršija den gewaltigen Komplex der Bauten auf, die durch eine Stiftung des osmanischen Herrschers Gazi Husrev-Beg begründet wurde. Dieser weise osmanische Herrscher begründete durch seine Schenkungen im 16. Jahrhundert maßgeblich die Entwicklung Sarajevos zum kulturellen Zentrum des europäischenTeils des Osmanischen Reiches. Wir sahen die große Moschee (natürlich waren wir auch drin), den Uhrturm mit Armenküche und Gästehaus, das Schulgebäude Kursumlija, die Markthalle und das Gasthaus Morica Han, in dem wir natürlich wieder einen Kaffee tranken (und die schon oben erwähnten Holländer trafen) und in dem Mechthild noch einmal einkaufte.

Gazi-Moschee Gazi-Moschee2

Abschließend Abendessen im Altstadtviertel im klitzekleinen Restaurant „To be“ bei einer sehr freundlichen und deutsch sprechenden Wirtin mit sehr netten jungen Balkanreisenden (deutsch und italienisch) am Nachbartisch. Wir hatten ein interessantes Gespräch in Deutsch und Englisch gemischt über Reiseziele und Erfahrungen. Wunderbar.

 

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Karl Verfasst von:

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