Drei Länder Tour

Freitag, den 17.04. fuhren wir von Sandanski in Richtung Süden und dann nach Westen über die Grenze nach Mazedonien. Einreise ohne Probleme. Wir wollten nach Strumica, der nächsten größeren Ortschaft. Dort brauchten wir eine Weile, bis wir das Hotel fanden, was im Reiseführer passend erschien. Vorher gab es noch die Probleme mit dem Parken: letztlich halfen uns auch hier Parkwächter, die an den Strassen ihr Revier verwalteten. Man mußte nämlich in irgendwelchen Geschäften ein Ticket kaParkscheinufen (je nach roter oder gelber Einstufung unterschiedlich teuer), dann mit dem Fingernagel oder anders Felder freirubbeln für Jahr, Monat, Tag, Stunde, Minute, und das dann an der üblichen Stelle einlegen.Weil ich beim ersten Mal noch gar keine mazedonische Währung hatte (Denar), hat mir ein netter Ladeninhaber ein Ticket gekauft und geschenkt (20 Denar entsprechend 30 Eurocent). Klar wurde hier schon, dass es nicht so viele Leute gibt, die Englisch sprechen.

Abends beim Essengehen in einer kleinen Fußgängerzone wurden wir aber noch bekannt mit einer Mazedonierin am Nachbartisch, die dann auf einmal Schwyzerdeutsch sprach, weil sie seit 11 Jahren in Bern lebt und gerade auf Besuch bei ihren Angehörigen in Strumica war. Morgen wollte sie zurück, Autotour von „mindestens 20 Stunden“.

Sehr beschäftigte uns dann die Erkenntnis, dass ein wichtiges Kabel verschwunden war. Es war nötig, um dieses verdammte Apple-MacAir aufladen zu können, auf dem dieser Blog geschrieben wird. Es gab in Strumica keinen Laden, der das Teil hatte („vielleicht in Skopje“). Mazedonien ist also weitgehend Apple-frei. Alles Nachdenken führte zu dem Resultat: das Kabel ist im Hotel in Sandanski liegen geblieben. Also: E-Mail-Anfrage nach dort. Abends keine Antwort, morgen müssen wir uns entscheiden.

Heute, am Samstag, stellten wir als erstes beim Frühstück fest, dass hier in Mazedonien die Uhren anders gingen als in Griechenland und Bulgarien: es war plötzlich wieder eine Stunde eher, also eigentlich „Bielefelder Zeit“! Wir saßen plötzlich um 7.00 Uhr beim Frühstück, muss man sich mal vorstellen!! Anrufe in Bulgarien im Hotel ergaben dann die erlösende Nachricht, dass das Kabel tatsächlich dort gefunden worden war. Um euch, liebe Blog-Leser, weiter mit Infos versorgen zu können, blieb also nur die Entscheidung, zurück nach Sandanski zu fahren (nicht ganz so schrecklich, sind nur knapp 60km). Um dann nicht an der Grenze aufzufallen, wenn wir nach einer Stunde schon wieder aus Bulgarien einreisen, beschlossen wir dann, mit dem Kabel kurz nach Griechenland und beim nächsten Grenzübergang wieder nach Mazedonien zu fahren. Nein, wir hatten keine Angst vor den Grenzern, schon zuvor hatten wir auch diesen Weg interessant gefunden und jetzt ergab sich die gute Gelegenheit, beide Möglichkeiten des Grenzübertritts kennen zu lernen. Guckt euch das mal an auf der Karte (anklicken vergrößert)!!

Karte

Das war eine spannende Fahrt: auf insgesamt 200 km fuhren wir über drei Grenzen (Mazedonien-Bulgarien-Griechenland-Mazedonien), hatten mit drei verschiedenen Sprachen zu tun, mit drei verschiedenen Währungen (Leva, Euro, Denar), mit zwei verschiedenen Schriften (kyrillisch, griechisch), mit zwei verschiendenen Zeiten und natürlich mit drei völlig verschiedenen Gesellschaften.

grenze griechenland

Ich habe das als eine richtige Dreiteilung der Entwicklung erlebt: Griechenland ist ohne Zweifel am weitesten entwickelt, Bulgarien ist auf einem beeindruckenden Weg. Mazedonien hängt weit hinten. Am ehesten wird dies an der Landwirtschaft deutlich: in mazedonischen Grenzgebiet waren die Felder klein, auf ihnen arbeiteten ein bis zwei Menschen mit ihrer Muskelkraft, unterstützt durch Pferde oder Esel, offensichtlich waren diese Felder der Bereich, auf dem sie ihre Lebensgrundlage produzierten. Sehr viele kleine Wagen mit Pferd waren auf den Strassen, die „Kutscher“ ärmlich, die Pferde, manchmal auch Esel auch nicht gerade wohlgenährt. Ich habe mich sehr an meine Kindheit erinnert gefühlt auf dem Dorfe, wo ich das auch noch erlebte und selbst mit einem Nachbarn mit seinem Pferdewägelchen in die Stadt fuhr (um Missverständnissen vorzubeugen: in vielen Gebieten Mazedoniens, die wir später gesehen haben, war die Landwirtschaft deutlich weiter entwickelt als hier!). In Griechenland waren die Äcker wesentlich größer, es gab Trecker und große Maschinen, auf den Äckern niemand mit Handarbeit.

grenze mazedonien

Ähnlich im Strassenbau: in Griechenland hochmoderne Autobahnen mit Mautsystem, in Bulgarien in großem Stil Baumaßnahmen mit autobahnähnlichem Ausbau der zentralen Strasse von Nord (Rumänien-Grenze) nach Süd (Griechenland-Grenze), in Mazedonien ist für uns bisher gar nichts an solchen Maßnahmen erkennbar.

Dojransee

Wir sind dann in Star Dojran am Dojran-See geblieben und haben uns ein Appartment gesucht (20 € pro Nacht!). Ich habe dann eine Bootsfahrt gemacht auf dem See mit zwei mazedonischen Paaren. Rasch kamen wir ins Gespräch, als ich fragte, ob das da drüben am anderen Ufer Griechenland sei. Ja, das war es, aber eigentlich sei es Mazedonien! Und plötzlich wurde der zentralen Konflikt dieser Region deutlich: nach dem zweiten Balkankrieg ist mit Mazedonien ein künstliches Gebilde geschaffen worden, das enorme Probleme hat. Die Griechen erkennen es nicht an (der Wirt einer kleinen Taverne, in der auf der Fahrt eine Mittagspause unter Platanen machten, sprach nur von der „Republik Skopje“), die Mazedonier auf dem kleinen Boot waren sauer, weil der größte Teil ihres Landes ihnen weggenommen worden sei und jetzt Griechenland gehört. Der eine junge Mann erzählte empört, dass da drüben, am anderen Ufer, sein Großvater und dessen Familile lebten: „und die soll ich jetzt plötzlich als Griechen bezeichnen?“. Diese beiden Mazedonier sahen hier die Wurzeln gelegt für kommende Auseinandersetzungen und vielleicht auch Kriege durch Entscheidungen anderer Mächte, für die ihr kleines Land nur ein Spielball sei.

seefahrt

 

Dieser durch ein wenig lächerliche äußere Umstände (Kabel vergessen) erzwungene Umweg der Drei-Länder-Tour hat auf einmal die Probleme dieser Region deutich gemacht und uns wieder einmal gezeigt, dass ungeplante Ereignisse und Entwicklungen uns überraschende Einblicke geben können. Das haben wir dann abends mit Karpfen aus dem See (hiesige Spezialität) und Wein aus der Region gewürdigt.

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Karl Verfasst von:

Ein Kommentar

  1. Anne
    20. April 2015
    Antworten

    Ein dickes DANKE für die ungeplante Drei-Länder-Tour um das Kabel zu holen.
    Weiterhin viele angenehme und interessante Begegnungen, geplant und ungeplant, wünscht Anne

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