Früh am Samstagmorgen sind wir aufgebrochen und über die ganze Kurische Nehrung gefahren. Eine schöne Fahrt. Die Sonne schien warm und fast die ganze Zeit ging es mit wenig Verkehr über die kleine Straße durch unterschiedliche Waldarten. Im Sommer durch einen Wald zu fahren ist immer ein Vergnügen. Hin und wieder blitzte links die Ostsee durch die Baumstämme. Später, auf dem litauischen Teil führt die Straße am Haff entlang, blinkte rechts das Wasser des Haffs durch die Bäume. Ich habe meine Meinung revidiert. Die Kurische Nehrung ist unbedingt eine Reise wert. Auf halber Strecke kommt die Grenze zwischen Russland und Litauen. Obwohl nur 12 Autos vor uns waren, dauerte die Einreise in den Schengenraum mehr als 3 Stunden. Nicht die russischen Grenzer waren so genau und langsam, sondern die Litauer. Schon bei unserer Einreise aus der Ukraine nach Polen mußten wir die Erfahrung machen, dass die Einreise in den EU-Bereich sehr langwierig sein kann.
Nach dem langen Grenzaufenthalt haben wir, noch auf der Nehrung, in Juodkrantė/Schwarzort eine Pause gemacht. Das ist ein sehr hübsches kleines Fischerdorf (unter 800 EW) das seinen Charme erhalten konnte, obwohl auch hier im Sommer ganz offensichtlich viele Gäste leben. Zur Haffseite hin gibt es einen Hafen für Segelschiffe und Motorbote. An der breiten Haffpromenade gibt es viele moderne Skulpturen und alte mystische Holzgestalten zu sehen, Spielplätze gibt es, viele fahren mit Fahrrädern am Wasser entlang. Alles macht einen sehr entspannten freundlichen, fast skandinavischen Eindruck. Hier wird auch die Tradition der Kurenwimpel gepflegt. Das ist eine phantasievolle alte Art der Haffschiffer, ihre Schiffe zu kennzeichnen. Im russischen Teil scheint diese Tradition vollständig verloren zu sein. Ich habe nur einen verstaubten Wimpel im Naturkundemuseum gesehen.
In Juodkrantė bekomme ich auch meine litauische Lieblingssommersuppe. Šaltibarščiai, kalte Suppe mit heißen Kartoffeln. Einfach nachzukochen. Nach dem letzten Aufenthalt in Litauen habe ich das auch manchmal gemacht.
Auf der Litauischen Seite verläßt man das Haff mit einer Fähre, die gratis (!!) ist; die Überfahrt dauert 10 Minuten.
Manche der „Hinüberfahrenden“ vertreiben sich die kurze Zeit mit Möwenfüttern.
Dann sind wir nur noch schnell die 200 km Autobahn bis in die zweitgrößte Stadt Litauens gebrettert. Dort werden wir 2 Tage bleiben.
Unser neues altes Auto hat eine kleine Schwachstelle. Die automatischen Fensterheber links sind nicht nicht richtig in Ordnung. Das Problem kannten wir schon vor dem Kauf. Heute, auf der Hälfte der Strecke, ließ sich plötzlich die halb heruntergelassene Scheibe hinten links nicht mehr hochfahren. Und es regnete! Blöde Sache! Während der Fahrt diente meine neue Regenjacke als Schutz. Später im Hotel vermittelt uns der Portier eine Werkstatt, die das Auto übers Wochenende sicher unterstellen und dann am Montag reparieren würde. Auf dem Autohof funktionierte das Fenster plötzlich wieder. Keine Reparatur in Litauen nötig, dass Fenster wird erst wieder geöffnet, wenn wir zuhause sind. Noch mal gut gegangen. So geht das mit alten Autos die Schwachstellen haben.
Erleichtert gehen wir in der Stadt ein bisschen was essen und die Erinnerungen auffrischen. Wir waren vor einigen Jahren schon mal einen Tag hier.
Schon direkt nach der Grenze haben wir den Unterschied bemerkt. Der litauische Teil des Haffs sieht ganz anders aus. Das liegt nicht an der Natur. Da gibt es wenig Unterschied. Es sind die Straßen, die Dörfer, der Zustand der Häuser, die Art, wie die Menschen gekleidet sind; es ist weniger provisorisch, liebevoller und auch wohlhabender. Beide Teile haben unterschiedliche Entwicklungen genommen. Karl und ich diskutieren beim Essen woran das liegt. Natürlich können wir nur spekulieren. Ein wesentlicher Faktor wird sein, dass auf der russischen Seite, in der Kaliningrader Oblast, viele Jahre unklar war, ob dieser Teil dauerhaft zu Russland gehören würde und welche Entwicklung dieses Gebiet nehmen könnte. Zusammenarbeit und Nähe zu den europäischen Nachbarn, eigenständige Sonderwirtschaftsregion…. viele Modelle wurden diskutiert. Die Insellage hat die Entwicklung erschwert und auch jetzt, bei den aktuell schwieriger werdenden Beziehungen Russlands zu Europa, bekommen das die Kaliningrader Einwohner deutlich zu spüren, z.B. durch verschärfte Grenzübergangsbestimmungen oder explodierende Lebensmittelpreise.
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