Eigentlich sind wir heute nur Auto gefahren, sagt Karl. Fast stimmt das auch. Unser Rückweg ist noch lang und wir planen 300 – 400 km pro Tag ein. Heute haben wir wieder den Polarkreis bei Rovaniemi überquert, sind also raus aus den Bereich, der sich Arktis nennt. Wir konnten das gut an der Veränderung der Vegetation beobachten. Die lichten Wälder mit den kleinen, krummen, besonderen Birken und den kleinen Kiefern verschwanden allmählich, die Bäume wurden wieder normal hoch und die Wälder viel dichter.
Nördlich vom Polarkreis ist es nichts ungewöhnliches, wenn Rentiere langsam auf der Straße dahin traben. Wir haben das zweimal erlebt. Schilder weisen überall auf diese Gefahr hin. Sie wirken ja ein bißchen trottelig und lahm und scheinen nicht plötzlich aus dem Wald auf die Strasse zu springen wie bei uns Rehe oder Wildschweine, aber wer weiß…
Es regnet ein wenig auf der Fahrt und wir sehen wunderbare Wolkenbilder. Langweilig wird es hier nicht.
Die ganze Zeit sind wir ja auf der großen E75 und das ist die Haupstrecke zum Nordkap und den großen finnischen Touristengebieten. Während uns in Russland nördlich des Polarkreises keine ausländischen Autos begegnet sind, kommen uns hier immerzu deutsche, schweizer, holländische, französische und auch finnische Touristen entgegen, oft in großen Wohnwagen. Rechts und links der Straße gibt es viele Ferienhaussiedlungen und auch Campingplätze. Entsprechend gut ausgeschildert sind die jeweiligen örtlichen Angebote für Gäste: Samische Verkaufsläden mit „handwerklich“ hergestellten Mitbringseln, alte Kirchen, Gelegenheiten zum Angeln oder Jagen usw. Wir lassen das alles aus. Auch die Angebote zum Goldwaschen und das Goldmuseum besuchen wir nicht. Kurz vor der Stadt Rovaniemi, genau da wo der Polarkreis die Straße kreuzt, gibt es allerdings eine ganz besondere Attraktion. Wer wohnt in Lappland? Na? Wer braucht Renntiere? Na klar, der Weihnachtsmann hat hier seine Wohnung und seine Poststelle und alle Helfer und Helferinnen helfen ihm hier. Und er freut sich sehr über Besuch, auch von Erwachsenen.
Da unsere Ferienwohnung zwar eine Waschmaschine und einen Trockner hat (war auch wirklich nötig), wir aber die Küche nicht in Gebrauch nehmen wollen, werden wir uns da morgen zum Frühstück einladen. Erstmal geht es aber weiter in die Stadt. Wir wollen auf alle Fälle in die bekannte Messerschmiede Marttiini und ins Arktikum, bevor beides schließt.
Das Arktische Zentrum gibt uns einen guten Überblick über das Leben der Menschen und der Tiere in einem Gebiet mit extremer Kälte und den kurzen Sommern.
Das Leben der Samen auch im Vergleich mit anderen indigenen Völkern in der arktischen Zonen ist einer der Schwerpunkte. Die Beeinflussung der Natur duch die industrielle Entwicklung (die atomare Katastrophe von Tschernobyl, die Ölförderung, die Müllproblematik) und ihre Wirkung auf die Bewohner sind Themen. Ganz klar. Noch viel mehr Sorgfalt beim Umgang mit den natürlichen Ressourcen ist notwendig. Und verschiedene Eingriffe sollten ganz unterbleiben. Aktuell plant z.B. die finnische Regierung den Bau einer teuren neuen Eisenbahnlinie hoch bis Kirkenes, um eine Verbindung zwischen Ostsee und eisfreier Barentsee herzustellen; die Trasse soll mitten durch das Inarigebiet gehen, wo wir gestern waren, und würde das Samengebiet durchschneiden. Proteste der Samen sind nachvollziehbar.
Beeindruckend ist auch das Gebäude. Viele heimische Produkte wurden verarbeitet. Die Stühle z.B. sind aus Birkenholz und mit Rentierleder bezogen. Die lange, große und schmale Halle hat durch die riesigen Fenster eine besondere Atmosphäre und es wird gesagt, dass die sich mit dem Wetter und den Jahreszeiten sehr verändert, aber immer wunderbar ist. Das will ich wohl glauben. Eine große Empfehlung für dieses Museum.
Und auch der Krieg der Finnen erst mit und dann gegen Deutschland und seine Folgen für die Bevölkerung sind in einer Ausstellung im Museum Thema. Die Stadt Rovaniemi hat hier besonders gelitten. Bei ihrem Rückzug haben die deutschen Soldaten hier wie auch sonst an anderen Stellen Lappland die Holzhäuser rücksichtslos niedergebrannt, und sie hinterließen noch mehr als 1 Millionen Sprengladungen mit entsprechenden Spätfolgen. Rovaniemi hatte fast nur Holzhäuser und wurde zu über 90 % zerstört und nach dem Krieg vollständig neu geplant und aufgebaut. Noch lange nach Kriegsende hießen Deutsche bei den Finnen „Lapplandverbrenner“
Puukko heißen die finnischen Allzweckmesser. Und die Messerschmiede Marttiini aus Rovaniemi ist einer der größten Hersteller dieser besonderen Teile. Hier wollte ich noch besondere Mitbringsel besorgen und dann hat auch Karl sich ein Messer gekauft.
Heute ist im Prinzip Mittsommer. Die Finnen haben daraus aber einen beweglichen Feiertag gemacht. Sie feiern es an dem Samstag, um den 21. Juni herum. Dieses Jahr ist das der 23. Juni. Aber schon am Freitag sind viele Geschäfte und Restaurants geschlossen. Ich bin gespannt, was uns dieses Jahr zu Mittsommer begegnet. Letztes Jahr haben wir ja in Estland gefeiert. Es ist übrigens gerade 23.55 Uhr und wirklich so hell wie sonst mittags. Nur der Himmel hat eine besondere türkise Färbung. Wirklich sehr besonders.
Gestern haben wir vergessen das Fundstück des Tages zu zeigen. Heute hole ich das nach. Auf einem Felsen habe ich das hier gefunden:
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