Koenigsberger Klopse in Koenigsberg

Ka Fischr

Königsberger Klopse gab es zum Abendbrot und es waren die besten, die ich bislang gegessen habe. Auch das Ambiente war klassisch. Das Restaurant, eigentlich ein Fischrestaurant, ist im Dohnaturm untergebracht und der ist Teil einer alten gewaltigen Festungsanlage der Stadt. Dieser Turm wurde 1859 gebaut. Roter Backstein überall, Kellnerinnen als Burgbedienstete gekleidet, schwere verzierte schmiedeeiserne Türen, Bleiglasfenster, das ganze Programm.

Im Dohnaturm ist auch das Bernsteinmuseum der Stadt untergekommen.

 

Ka Dohnaturm

Bernstein findet man an vielen Stellen in der Welt, aber nur im Königsberger Ostseegebiet wird er im Tagebau und auch untertage abgebaut. Viel mehr als 90% der Weltförderung kommt aus dem Königsberger Gebiet. Mit neuen wirtschaftlichen Regeln gibt es jetzt auch private Sammellizenzen. Der Hauptanteil wird aber immer noch über das dem russischen Staat gehörende ehemalige Kombinat abgebaut. Ökologisch scheinen die Spätfolgen denen des Tageabbaus der Braunkohle zu ähneln. Nur ist das Land dünner besiedelt und es müssen keine Orte weichen. Bernstein ist schon seit der Frühzeit der Menschen ein begehrtes Sammel- und Handelsobjekt. Heute wird es als eher altmodisch angesehen. Die vielen Produkte, die ich hier, aber auch schon in Danzig angeschaut habe, gefallen mir nicht so gut. Das liegt am Design. Bernstein an sich gefällt mir sehr, so viele Schattierungen, so unterschiedliche Insekten und Pflanzeneinschlüsse. Wunderbar. Im Museum gab es nicht nur uralte und alte Schmuckstücke zu bewundern, sondern natürlich wurde auch der Mythos um das Bernsteinzimmer und den Nachbau für St. Petersburg präsentiert. Und viele Schiffe und Pokale, Dinge des täglichen Gebrauchs wie Zigarettenspitzen, Ascher, Etuis, Spazierstöcke und so weiter.

Ka Bernstein 1 Ka Bernstein 2 Ka Bernstein 3

Da Museum scheint auch ein Arbeitsplatz für gehbehinderte alte Frauen zu sein. Viele Aufseherinnen hatten Rollatoren dabei, ein Modell für uns in Deutschland?

Heute haben wir auch die öffentlichen Verkehrsmittel ausprobiert, was mir (Karl) gut getan hat, weil ich noch wenig belastbar bin und ab dem frühen Nachmittag den Eindruck bekomme, die Viren sammeln sich zum erneuten Angriff. Also: Busfahren (gilt auch für Straßenbahn) ist im Prinzip einfach: man setzt sich in irgendeinen Bus, der vielleicht in die Richtung fährt, die man sich ausgeguckt hat. Tickets gibt es bei der Konduktora, immer eine Frau, die dann herumgeht und 20 Rubel kassiert. Dafür kann man solange fahren, wie man will, aber wenn man die Linie wechselt, kostet es wieder 20 Rubel. Bei einem umgerechneten Preis von ca. 30 Cent ist das ja wohl. drin. Es gibt offensichtlich keine schriftlichen Pläne, welche Bahn wohin fährt, es gibt keine Touristentickets für einen oder drei Tage. Aber man kommt schon irgendwie dahin wohin man wollte, und es gibt  eine Handy-App für die Linien.

Manchmal haben wir ein Taxi rufen lassen, und auch das ist problemlos und billig. Von unserem Hotel in das Stadtzentrum sind es sicher 5km, Taxipreis 115 Rubel, d.h. unter 2 Euro! Der letzte Fahrer war ganz gesprächig, konnte Englisch, aber kein Deutsch. Er war in den Jahren 1989 bis 1991 bei der Roten Armee und in Merseburg stationiert. Wir fuhren durch das alte Villenviertel am See, was im Krieg stark zerstört worden war, und er zeigte uns Neubauten, die nach den alten deutschen Architektenplänen errichtet würden. Bei einer Kreuzung gab es rechts einen großen Neubau mit einer riesigen Reklametafel, wonach man Wohnungen für 40.000 Rubel pro m2 („gute russische Architektur!“) kaufen konnte, auf der anderen Strassenseite ein mehrstöckiger heruntergekommener Plattenbau („sowjetische Architektur!“).

Der Strassenverkehr ist insgesamt unglaublich intensiv: kein Autofahrer hält sich an die eigentlich vorgeschriebene Geschwindigkeitsbegrenzung von 40km/h, wenn die Kreuzung schon verstopft ist und man hat grün, geht es vorwärts mit Karacho bis auf cm an das Auto heran, was die Kreuzung verstopfte, Fußgänger müssen immer damit rechnen, dass noch einer angebrettert kommt u.ä.m. Einen Auffahrunfall haben wir gesehen, drei beteiligte Wagen, der mittlere war aufgefahren und dann fuhr auf ihn noch jemand: unser Taxifahrer meinte, das sei ein schlechtes Auto, aber der Mercedes vorne, „klasse, ganz in Ordnung!“. Und die Unfallursache war ihm auch ganz klar. Die Fahrer hatten mit dem Handy telefoniert.

Königsberg (432.000 EW) ist in weiten Teilen „russisch“, so wie ich mir eine russische Mittelstadt vorstelle. Viele Häuser sind „plattenbauartig“, auch viele Neubauten unterscheiden sich nur wenig. Dazwischen monumentale Denkmäler, laute, oft schlechte Straßen, alte Busse und Straßenbahnen und ein unglaubliches Verkehrsgewimmel. Das ist ein riesiger Unterschied zu den ja ebenso zerstörten und neubesiedelten Orten (wie z.B. Gdansk) in Polen.

Ka Haeuser 3 Ka Haeuser 4 Ka Haeuser 5 Ka Haeuser 6 Ka Strasse Ka Haeuser 7 Ka Haeuser 8

Vermutlich hängt das damit zusammen, dass hier die Geschichte nach dem Krieg noch mehr verleugnet wurde und die neuen Bewohner, die ja aus der gesamtem Sowjetunion kamen, oft nicht freiwillig da waren und die Identifikation mit dem neuen Wohnort sehr schwierig war.  Denn noch viel länger als in Polen scheinen sich die neuen Bewohner  nicht sicher gewesen zu sein, dass die Stadt, die Oblast dauerhaft zu Russland gehören würde. Ich habe Berichte über die erste Zeit nach dem Krieg gelesen. Es wurden keinerlei Bemühungen deutlich, Wasser und Energieversorgung zu reparieren. Es gab auch keinerlei Kenntnisse mehr über die alten Versorgungssysteme. Die schriftlichen Unterlagen waren verbrannt bzw wurden vernichtet. Brauchbare Möbel, Baumaterialien und ähnliche Gegenstände von Wert wurden in die Sowjetunion geschickt. Der Wiederaufbau war also eher ein Neuanfang, der sehr langsam vonstatten ging. Vielleicht können wir das an zwei das Stadtbild dominierenden Gebäude erläutern. Der Dom wurde renoviert, aber zum Teil so unfachgerecht, dass es zu erheblichen Problemen kommt. Auf der Nachbarinsel stand das zerbomte Schloss das dann nach dem Krieg mit einer Unmenge Dynamit völlig in die Luft gejagt wurde. Stattdessen wurde das Rätehaus, geplant als neue Verwaltungszentrale hochgezogen. Das Gebäude wurde aber nicht fertig  denn wegen der Instabilität des Baugrundes wegen der Sprengungen neigte sich das riesige Gebäude.  Eine riesige Bauruine aus der sozialistischen Zeit. Wir werden uns beides morgen anschauen und dann genauer darüber berichten.

Ka Raetehaus

Inzwischen hat auch in Kaliningrad eine Bewegung eingesetzt, die die ganze Geschichte der Stadt respektieren und berücksichtigen will. Auch hier werden Stimmen laut, die den alten Namen wieder annehmen wollen. Zu Michail Iwanowitsch Kalinin gibt es heute sicher keine so großen Beziehungen mehr. Und es gibt Pläne, jetzt doch Teile der Innenstadt wie vor dem 2. Weltkrieg wieder aufzubauen. Noch fehlt das Geld. Ökonomisch leidet die Region erheblich unter der neuen Abschottung zu den Nachbarn als Folge der Sanktionen. Die Öffnung der letzten Jahre ist rückgängig gemacht und gemeinsame Projekte mit den umgebenden EU-Staaten Litauen und Polen wurden zurückgenommen. Auch der sogenannte Heimwehtourismus, Reisen der alten Königsberger oder ihrer Nachkommen in die alte Heimat, ist kein nennenswerter ökonomischer Faktor geworden. Das hängt sicher mit dem geringen Wiedererkennungswert der Stadt zusammen. Alles ist eben anders und wenig altes ist zu entdecken. Uns fällt auf, dass wir sehr freundlich aufgenommen werden, echte Gespräche sind aber nicht möglich. Wir finden nur ganz wenige Menschen, die etwas englisch sprechen. Deutsch spricht keiner und wir können kein Russisch. Die Verständigung im Alltag klappt aber wie üblich mit verschiedenen Brocken in unterschiedlichen Sprachen und Gestik und Mimik.

 

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Mechthild Verfasst von:

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