Gdansk / Danzig – die letzten 100 Jahre der 1000 jaehrigen Geschichte

… interessieren uns wieder mal am meisten. Danzig hat ca. 460.000 EW, den wichtigsten Seehafen des Landes, sehr berühmte Bürger (Schopenhauer, Fahrenheit, Grass, Kinski, Ehmke, Neudeck, Wałęsa), verschiedene Hochschulen und Universitäten, und hier wird das meiste Geld verdient, u.a. durch 1,5 Mill. Touristen jährlich. Und natürlich haben in Danzig Ereignisse stattgefunden, die die neuere Geschichte beeinflusst haben. Da ist der deutsche Angriff auf die Westerplatte und der Beginn des zweiten Weltkriegs und auch die Proteste der Arbeiterbewegung und ihr langer Kampf, der zur  Gründung von  Solidarność und letztlich zum Ende des Kommunismus in Polen führte. Dieser Kampf gab den übrigen Ländern hinter dem eisernen Vorhang Hoffnung. Das Ergebnis ist bekannt und ermöglicht uns ja seit jetzt drei Jahren, praktisch ohne Einsatz von Personaldokumenten, frei und selbstbestimmt durch die östlichen Länder zu reisen und unsere Vorurteile abzubauen und neue Einschätzungen zu gewinnen.

Danzig gefällt uns sehr. Noch ist der touristische Zuckerüberzug nicht vollendet. Überall gibt es noch Unfertiges, Weiterzubauendes, zu Verbesserndes. Hin und wieder ein Schlagloch oder fehlende Steine im Trottoir, das allermeiste aber ist sehr schön wieder aufgebaut (90% der Innenstadt wurde im 2. Weltkrieg zerstört) und, folgt man den Berichten, auch authentisch nach den alten Vorbildern. Wichtig zu erinnern, das alles wurde überwiegend von den neuen Bewohnern der Stadt geleistet. Von der Vorkriegsbevölkerung hat fast keiner in der Stadt bleiben können.

Den Anfang des Tages machten wir mit einem Spaziergang entlang des Flusses Mottlau / Motława. (Die Weichsel gibt es auch noch, die haben wir aber noch nicht gesehen).

Danzig Museum 2 W

Mehr als 3 Stunden waren wir im ganz neuen Museum des zweiten Weltkriegs. Es wurde gerade erst im März 2017 eröffnet und ist mit Abstand das beste Museum, dass sich mit diesem Thema beschäftigt. Im Vorfeld, seit dem die Rechtskonservativen die Regierung bilden, war das Museumskonzept sehr umstritten und das scheint auch die Eröffnung verzögert zu haben. Erst Klagen vor Gericht waren nötig.

Das Museum zeigt die Entwicklung zum Zweiten Weltkrieg, beginnend mit den Resultaten und Problemen, die der erste Weltkrieg produzierte, bis zum Fall des eisernen Vorhangs, und noch einen kleinen Nachklapp auf die neueren nationalen Bewegungen in Europa und dem Rest der Welt. Die Rechtskonservativen wollten viel mehr Polen in den Mittelpunkt stellen, was jetzt aber nicht passiert ist. Die Entwicklung Polens ist zwar der rote Faden, erzählt wird er aber im Kontext aller anderen beteiligten Länder und verschiedener Themen. Wir gehen noch mal hin und ich werde den Bericht an dieser Stelle inhaltlich noch ergänzen.

Das beeindruckende Gebäude hat sofort an Libeskind-Architektur erinnert, und tatsächlich: Libeskind hat das Museum zwar nicht selbst gebaut aber am Entwurf mitgearbeitet und ihn abgesegnet.

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Mit deutschem Audio-Guide wird man durch die verschiedenen Räume geführt, ganz unaufdringlich, zurückhaltend („Sie sind jetzt in dem Raum, in dem die Leiden der Bevölkerung dargestellt werden. Nehmen Sie sich die Zeit, schauen Sie sich die Tafeln und Gegenstände an, sehen Sie sich den Film an, ich erwarte Sie im Raum 7“). Durch diese Grundhaltung, ohne jede emotionelle Bewertung Fakten zu zeigen, sie in historische und politische Zusammenhänge einzubetten und den Zuschauern Raum für eigene Urteilsbildung zu geben, wirkt die Ausstellung unglaublich dicht und berührend.

An keiner Stelle wird es langweilig, immer kommt die Perspektive der Opfer zum Zug. Es gibt viele Zeitzeugenberichte, häufig in Form von Videos, in denen die Opfer selbst erzählen. Und es ist mir an einigen Stellen so dicht geworden, dass ich mich abgewendet habe. Das ging mir z.B. bei den Berichten der jetzt alten Frauen so, die als junge Mädchen von den Japanern zu langjähriger Prostitution für ihre Soldaten gezwungen worden waren und die auch danach jahrzehntelang schweigen mussten.

Nicht angeschaut haben wir uns die vollständig eigene Austellung für Kinder. Die ist sicher auch ähnlich gut.

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Nach diesem Erlebnis sind wir, natürlich nach einer Pause, noch einige Stunden durch die alte Stadt gewandert, haben hier ein Goldwasser, einen Espresso und dort ein warmes Essen nach Art der Khmer zu uns genommen. Und dabei die neuen alten prächtigen Fassaden und die bunten Touristenmassen angeschaut.

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Da gibt es wunderliche Dinge:
für 5 Złoty kann man hier Helium kaufen und an eine Weile wie Mini Mouse sprechen

Danzig Helium

mitten in der Altstadt von einem Seeräuber Stempel aufgedrückt bekommen

Danzig Seeraeuber

Schülergruppen beim Drachenbootrennen zujubeln

Danzig Drachenboot

von der Altstadtbücke aus einen Abendbrotfisch fangen

Danzig fischer

Danzig hat sich so in unser Herz geschlichen (Karl, in deine auch? na klar, sagt dieser) und ich freue mich auf zwei weitere Tage hier.

 

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Mechthild Verfasst von:

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