Westböhmen und Goethe

wir bleiben bei unserer Entscheidung, die Autobahn zu vermeiden und tuckern über die Dörfer, heute mit dem Plan, von Karlovy Vary in Richtung Marianske Lazne (Marienbad) zu fahren. Sonntag morgen ist kaum Verkehr auf den Straßen durch Böhmen im Frühling; im Mercedes ist es schön warm, draußen scheint meist die Sonne, aber es ist a….kalt. Mit spontaner Entscheidung schwenken wir dann rechts ab und folgen einem Hinweisschild zum Hrad Lotek, also eine Burg, das klingt doch gut. Ein Blick auf die Karte zeigt dann, dass wir jetzt praktisch wieder zurück fast bis nach Karlsbad fahren durch den Kaiserwald, aber was macht es schon, wir haben Zeit. Die Gegend war wohl immer schon dünn besiedelt und es gibt wenig Höfe und Dörfer.

Zwischenstop vor einem Ort namens Krasno, über den wir nichts finden im Reiseführer, aber auf einer Höhe vor dem Dorf liegt ein großer von einer roten Ziegelmauer umgrenzter Friedhof. Die vielen alten Grabsteine zeigen an, dass das wohl mal ein Dorf mit deutschen Bewohnern gewesen sein muß. Später sehe ich in Wikipedia, dass der Ort früher Schönfeld hieß und für seinen Bergbau bekannt war; offensichtlich wurde Zinn abgebaut und es gibt auch ein Museum (das hierauf weisende Hinweisschild ignorieren wir aber).

krasno2 Krasno3Krasno1

Dann erreichen wir den Ort Lotek mit der Burg (Hrad); hier ist rasch klar, dass das Dorf früher Elbogen hieß, was eine ganz anschauliche Namensgebung ist, weil der Fluß Eger hier eine fast vollständig kreisförmige Biegung macht, die wie ein Ellbogen in die Natur (den Kaiserwald) ragt. Noch vor der Einfahrt halten wir an einem kleinen Aussichtpunkt, essen eine Oblate, frieren sehr und freuen uns an dem herrlichen Blick auf die Stadt und die Burg. Ich sehe auch ein Schild auf der anderen Seite, und was steht drauf? Nun, natürlich war auch Herr Goethe hier dauernd. Ein gekennzeichneter Goethe-Wanderweg führt oberhalb der Straße um den Ellbogen, hier hat der alte Herr (74 Jahre) offensichtlich über das Leben und seine unglückliche Liebe zu der jungen Ulrike von Levetzow nachgedacht mit dem Resultat, nie wieder hierhin zu fahren.

N.B. ich alter Herr (71 Jahre) würde selbstverständlich mit meiner jungen Mechthild wieder hierhin fahren!!

Elbogen

Wir besichtigen die Burg auf dem hohen Granitfelsen. Unbedingt sehenswert, gut ausgeschildert, viele interessante Räume. Zu sehen ist u.a. ein großer Klotz von einem Meteor, der vor Hunderten von Jahren dort landete, zu sehen sind auch die Gefängnisräume mit den Isolier- und Folterzellen. Viel anschaulicher als ich es kenne, kann man hier in originale Zellen schauen, in denen an fast lebensechten Gestalten die vor wenigen hundert Jahren noch üblichen Foltermethoden demonstiert werden. Manche der erklärenden Abbildungen sind mir schon vertraut aus der Constitutio criminalis, der Theresiana, benannt nach Maria Theresia, von 1769, wo detailliert beschrieben wird, wie man am besten foltert. Begleitet wird dieser Rundgang im Keller von echt originalen Schmerzensschreien der Folteropfer.

Im kleinen Ort selbst um den Marktplatz sehr schöne restaurierte Häuser, und natürlich an vielen wieder die Hinweise auf Goethe. Tipp: dieser Ort lohnt es unbedingt, besucht zu werden!! Ein Tag und eine Übernachtung z.B. im Goethe-Hotel incl. Wanderung durch den Kaiserwald machen einen bleibenden Eindruck! Und nebenbei: welcher Film wurde hier auch z.T. gedfeht? Na? Casino Royale mit Daniel Craig!

Elbogen2 Elbogen3

 

 

Elbogen4

 

Dann wieder zurück Richtung Marienbad. Auf der Fahrt verständigen wir und noch mal darüber, dass wir gar nicht viel Lust haben, noch mal so einen Badeort zu besuchen. Es ist dann auch weiter sehr kalt, überall im Ort nur ein paar alte Leute, die monumentalen und protzigen Wellness- und Spa-Hotels kann man gar nicht anfahren, weil das Kurgebiet für Autos gesperrt ist. Die armen Pferde der paar Fiaker frieren ebenso wie ihre Kutscher, niemand will sie benutzen. Nach einem Kaffee geht es weiter Richtung Pilsen.

Abstecher nach dem berühmten Klaster Tepla (Prämontratenser-Kloster). Wir fahren über die Tepla-Hochebene, der Wind pfeift und es schneit!! Das Kloster wurde schon um 1200 herum gegründet, hat eine große und reiche Anlage, die Mönche prägten über Jahrhunderte das ganze Umland. In den 50er Jahren wurden sie vertrieben, das Militär besetzte das Gelände, hielt sich aber von der barocken prachtvollen Kirche und der phantastischen Bibliothek fern. Es ist wohl die drittgrößte Bibliothek von Böhmen, beherbergt ca. 100.000 Bände, angefangen von Inkunabeln aus der Zeit vor 1500 bis in die Neuzeit. Der tschechische Staat hat wohl ein paar Hundert für die Geschichte Böhmens bedeutende Werke entnommen und sie wahrscheinlich in Prag deponiert. Besichtigung geht nur mit Führung und die ist tschechisch, wir haben einen gedruckten deutschen Infomationstext bekommen.

Kloster1 Kloster2

In Pilsen am späten Nachmittag Hotel und dann Steaks mit Pilsner Urquell. Lecker!!

 

Merken

Merken

Merken

Merken

Merken

Merken

Neueste Beiträge

Neueste Kommentare

Karl Verfasst von:

Ein Kommentar

  1. Prinzenrolle
    24. April 2017
    Antworten

    Seit drei Tagen bin ich jetzt mit auf einer Reise in für mich unbekannte Gegenden. Danke, dass ich mitreisen darf.
    Beim Rundgang durch den Folterkeller hat es mich gegruselt bei der Vorstellung der Schreie. Ansonsten erfreue ich mich aktuell an der geheizten Wohnung.
    Ich drücke die Daumen für höhere Temperaturen und auf dass das neue Auto sich bewährt und durchhält.
    Gute Reise!
    Petra

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert