Wir fahren entlang des ehemaligen eisernen Vorhangs und dieses Jahr schauen wir uns den nördlichsten Abschnitt an. Fennoscandia heißt der. Wikipedia erklärt mir:
„Der finnische Geologe Wilhelm Ramsay führte den Begriff 1898 (nach anderer Quelle erst 1900) ein und begründete die Abgrenzung des Gebiets mit seiner geologisch-geographischen Einheit. Gemeint ist die Halbinsel, die durch Nord- und Ostsee sowie durch die Linie „Finnischer Meerbusen – Ladogasee – Onegasee – Weißes Meer“ (vgl. Weißmeer-Ostsee-Kanal) vom übrigen europäischen Festland abgegrenzt ist.“
Ganz langsam realisiert sich die Idee eines durchgängigen Naturschutzgebiets entlang der Grenze quer durch Europa. Und es gibt da schon diesen Iron Curtain Trail, einen Fahradweg entlang der alten Grenze. Gerade habe ich darüber zwei Bücher (wieder) gelesen wie sie unterschiedlicher nicht sein können: „Iron Curtain Trail“ von Franz und Huthmacher aus dem Delius Klasing Verlag beschreiben, wie zwei sehr sportliche Männer mit einem Begleittross die 9000 km in 4 Wochen mit E-Bikes zurücklegen. Das geht offensichtlich, leider gehen bei der Schnelligkeit der Genuss und das Erleben der unglaublich vielfältigen und sehr interessanten Länder verloren. Das absolute Kontrastprogramm ist dann „Mit dem Klapprad in die Kälte“ von Tim Moore aus dem Verlag Covadonga. 9000 km mit einem alten DDR-Klapprad (20 Zoll!) und dann noch mitten im Finnischen Winter bei hohem Schnee im März losfahren, das kann nur einem Engländer einfallen. Aber er nimmt sich einige Monate Zeit und beschreibt sehr ausführlich den Weg in einer wunderbar individuellen Weise. Danke lieber Martin für deinen Tip. Das Buch hat mir sehr gefallen.
Nun wir folgen unseren eigenen Wegen mit unserem alten Auto. Der Iron Curain oder auch das grüne Band ist nur die Leitschnur. Letztes Jahr haben wir in Estland aufgehört. Dieses Jahr fahren wir mit der Fähre nach Helsinki, bleiben da ein paar Tage, setzen dann über nach Tallin und von dort geht es nach Russland. Zunächst stehen die Partnerstadt von Bielefeld, Weliki Novgorod und dann Sankt Petersburg auf dem Programm. Weiter nach Norden, nach Karelien geht es danach. Immer weiter in den Norden nach Murmansk vielleicht und ganz sicher zum Nordkap nach Norwegen. Zum Abschluss unserer Reise fahren wir über Schweden mit kurzem Aufenthalt in Stockholm wieder nach Hause.
Wir sind ganz gespannt, was uns begegnet. Besonders vor dem russischen Teil von Karelien haben wir Respekt. Viel Natur gibt es dort und kaum Menschen. Nur eine lange Straße führt durch das Land. Wir werden berichten. Schon im Vorfeld haben wir uns über Karelien informiert, über den Winterkrieg 1939 / 40 zwischen Finnland und der Sowjetunion und die folgende besondere Beziehung der beiden Länder.
Mit dem Vorwissen aus der Lektüre in den vergangenen Wochen und nach dem Abschied von lieben Nachbarn und Freunden geht es dann tatsächlich am 15.05. los. Nach den Berechnungen brauchen wir ca. 3 Stunden bis Travemünde und die Abfahrt um 20.00 Uhr würde reichen, aber wir sind auch ungeduldig und fahren dann schon eher los. Gegen 23.00 Uhr sind wir da, können problem los einchecken, bekommen gleich unsere Codekarten zum Öffnen unserer Kajüte, müssen dann etwas warten, sind aber gegen Mitternacht schon im Zimmer. Erste Aktion: Uhren vorstellen, denn auf dem Schiff zählt schon die finnische Zeit (+ 1 Std.). Ein finnisches Bier zum Einstand, und dann beobachten wir noch mit der gleichen Faszination wie schon auf der Fähre von Klaipeda letztes Jahr, wie die LKW und aufs Schiff fahren und von den unglaublich geschickten Fahrern perfekt eingeparkt werden, ohne dass es bei dem oft minimalen Abstand dauernd kracht.
Das Schiff wird um 3.00 Uhr ablegen, wir gehen ins Bett und verschlafen dann diese Abfahrt. Morgens sind wir dann schon auf See. Nach ausführlichem Frühstücksbuffett steht uns dann ein ganzer Tag auf hoher See bevor. Das Wetter ist ganz gut, kein Regen, morgens recht frisch. Die See ist ruhig, kaum Wellen. Keinerlei Gefahr seekrank zu werden. Der Tip von Mechthilds Mutter den Magen mit dem Schiff schwanken zu lassen kann nicht ausprobiert werden.
Nachmittags ist es noch schöner, der Himmel wird klarer, die Sonne scheint, wir suchen uns Plätze auf den Decks. Lange kann man das dort nicht so ohne weiteres aushalten, der Wind weht stark und ist kalt. Später finden wir Sonnenplätze auf dem obersten Deck 12, wo eigentlich nur der Hubschrauber im Notfall landen kann. Es ist leer, nur wenige Gästen liegen in der Sonne, ein paar Jungen üben Handstand und Überschlag. Sehr entspannend!
Ich, Karl, habe vorher schon gemerkt, dass das eine neue Art der Reise ist. Ich ertappte mich auf dem Bett bei der mittäglichen Siesta bei dem Gedanken, dass ich gar nicht merkte, ob wir überhaupt vorwärts kommen. Das Schiff lag völlig ruhig im Wasser, schaukelte gar nicht, außer dem Motorgeräusch war kaum etwas zu hören. Die Stunden waren lang, die Zeit schien nicht zu vergehen. Auf den bisherigen Fahrten mit Fähren (Italien-Griechenland, Litauen-Deutschland) waren wir vorwiegend nachts unterwegs, aber hier haben wir einen ganzen Tag auf See. Das ist schon eine besondere Form von „Entschleunigung“ und zwingt zur Besinnung und Ruhe (wenn man sich nicht an den Spielautomaten vergnügen oder nur Bier trinken will, wie es durchaus manche Mitreisende tun).
Mal sehen, ob ich, Karl, nach dem Schreiben dieses Beitrags noch in die Sauna gehe, die es hier natürlich auch gibt und die bis 4.00 Uhr (!!) geheizt ist.
Morgen gegen 9.00 Uhr werden wir in Helsinki landen. Davon dann später.
Wir wissen von einigen Menschen, die auf die Berichte ganz gespannt sind. Im vergangenen Jahr haben wir viele positive Rückmeldungen bekommen. Danke dafür. Viel Vergnügen beim Lesen.
Wünsche Euch gute Reise, mit herzlichem Gruß
Peter
Ich freue mich auf neue interessante Reiseberichte.
Grüßle Bellana