Kant und deutsch-russische Gespräche

heute, am letzten Kaliningrad-Tag, haben wir die Dom Insel besucht. Mit Taxi fuhren wir dahin, und dann haben wir mehr oder weniger unfreiwillig eine kleine Stadtrundfahrt bekommen, weil der Fahrer irgendwie auf Fußball zu sprechen kam und uns unbedingt das im Bau befindliche neue Stadion auf der Nachbarinsel Lomse zeigen wollte, welches für die Fußball-WM 2018 in Russland gebaut wird. Ein Riesenbaustelle, viel Geld wird verbraten, was die Infrastruktur der Stadt sicher gut gebrauchen könnte, und nach der WM hat der Verein Baltika Kaliningrad ein viel zu großes Stadion, was dann weitgehend ungenutzt bleiben wird. Der Taxifahrer sprach übrigens fast kein Englisch, er arbeitete stattdessen während der Fahrt dauernd mit dem Übersetzungsprogramm seines Smartphones, tippte irgendetwas ein und plötzlich sprach eine deutsche Frauenstimme „Jacke“ und er zeigte erfreut auf meine Regenjacke. So ging das die ganze Fahrt…

Kathedrale1 Honigbruecke

Na ja, wir landeten dann doch beim Dom, der alten Kathedrale und ehemaligen Universitätskirche, die ab August 1944 auch völlig zerstört worden war durch Luftangriffe und Artillerie. Wegen des Grabes von Immanuel Kant wurden die Ruinen nicht komplett abgetragen, die Restaurierung begann erst nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und ist jetzt weitgehend abgeschlossen. Es gibt noch eine evangelische und eine orthodoxe Kapelle, aber das Kirchenschiff innen ist ganz verändert und als Raum für Konzerte genutzt.

Altarraum Stuhlreihen

Der Altarbereich ist abgebaut, die Sitze sind anders herum aufgestellt, d.h. man blickt jetzt auf die Orgel. Täglich gibt es ein bis dreimal ein Orgelkonzert, und eher durch Zufall haben wir auch eins mitbekommen. Ein junger Orgelspieler bot ein gemischtes Programm angefangen von Vivaldi bis hin zu einem Stück aus der Nußknackersuite von Tschaikowsky, bei dem die Engel und Putten auf der Orgel auch mitspielten und ihre Trompeten hoben bzw. die Arme mit den Paukenschlegeln bewegten. Die ursprüngliche barocke Orgel konnte erst 2008 durch eine moderne Orgel ersetzt werden, nachdem Wladimir Putin persönlich die Finanzierung regelte.

Orgel

Außen am Dom, an der Nordostecke, in der alten Professorengrabstelle, ist auch das Grabdenkmal von Immanuel Kant, dem berühmten Philosophen, dem hier in Russland erstaunlich viel Reverenz erwiesen wird. Oft sind an dieser Stelle wohl Blumen abgelegt. Das Kant-Museum in der Kathedrale zeigt viele Gegenstände aus der Zeit, in der Kant in Königsberg lebte und arbeitete incl. alter Modelle der Stadt bzw. der Kneiphof-Insel, aber die Begleittexte waren ziemlich russisch.

Kant Grab

Auf dem Rückweg in Richtung Stadtmitte kamen wir dann auch am Räte-Haus, dem Dom Sowjetow, vorbei, diesem 16stöckigen Hochhaus, das dann nie bezogen wurde, weil sich der Untergrund vielleicht als Folge der vielen Sprengungen des alten Königsberger Schlosses an dieser Stelle als zu labil erwies. Der Taxifahrer bezeichnete es fast verächtlich als „sowjetisches Haus“ und grenzte sich damit von dieser Systemzeit auch ab. Der Klotz steht da jetzt als neues Wahrzeichen, und was daraus werden soll, weiß wohl niemand.

Haus Raete Haus Raete2

Abends sind wir dann noch mal zum Abschluß in die Stadt, um ein bißchen in Einkaufszentren zu stöbern und dann auch, um im Restaurant Zötler den „Trefftisch Deutschsprachiger in Kaliningrad“ zu besuchen, von dem wir zufällig aus dem Internet erfahren hatten. Dort saßen auch schon ca. 10 Leute zusammen, begrüßten uns herzlich und im Nu waren wir mittendrin in den Gesprächen mit  den anderen Teilnehmern. Da waren Menschen, die als Deutsche in Kaliningrad lebten, die hier mal gearbeitet hatten, die Touristen waren, die durchreisten, da waren deutschsprachige Russen und eine Familie, die zum ersten Mal das Grab eines toten Verwandten besuchte, der in Königsberg als ganz junger Soldat am Ende des zweiten Weltkriegs gefallen war.

Ein höchst interessantes Zusammentreffen!  Ich (Mechthild) konnte viel Fragen stellen über das Zusammenleben von Deutschen und Russen, der Beziehung zu den Menschen aus den Nachbarländern, den Unterschieden von Männern und Frauen in den Familien usw. Die Antworten waren dabei so individuell und unterscheidlich wie die Menschen Erfahrungen haben.

Tip: Der Trefftisch findet jeden Mittwoch ab 19.00 Uhr statt im Leninski Prospekt, 3 im Restaurant Zötler, wo es echt bayerisches Bier und Weißwürste und Sauerkraut und Brezeln und nochmal Bier und Bier und Bier gibt (kann man literweise so wegtrinken) und wenn man will auch Wodka.

Trefftisch

Spannend war dann noch, dass plötzlich ein Fernsehteam des NDR auftauchte, das für eine Serie jetzt die nicht-deutsche Ostsee besuchte und hier Filme drehte über Leben und Handel und Zusammenleben unterschiedlicher Menschen. Da wurden auf einmal auch wir interviewt und berichteten über unsere bisherigen Reisen, und vielleicht kann man das ja im Dezember auch tatsächlich im Fernsehen bestaunen! Also, liebe Freunde, notiert euch das!

 

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Karl Verfasst von:

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