heute, am 20.04.2017, haben wir die dritte Etappe unserer Reise gestartet und sind Richtung Südosten gefahren. Diesen Prolog wollte ich schon vor einer Woche schreiben, aber diverse Ablenkungen haben das verhindert. Also jetzt in Kurzform:
- unser grüner Mercedes ist verkauft, er machte zuviel Zicken, wollte nicht richtig starten, lieber weiter rosten, deswegen weg damit (ist jetzt wohl schon in Syrien)
- ein neuer mußte her, wurde auch gefunden, noch älter (Jahrgang 1989), demnächst H-Kennzeichen, hat ziemlich genau 300.000 km auf dem Buckel
- die vielen Schwierigkeiten bis zur endgültigen Zulassung auf meinen Namen haben mich manche Stunden Schlaf gekostet: es gab keinen gültigen Kfz.-Brief mehr, der Vorbesitzer hatte auch keinen, mußte dann den Verlust amtskundig machen, die Gütersloher und die Bielefelder Zulassungsbehörde hatten verschiedene Vorstellungen über das korrekte Vorgehen, die Bielefelder wußte alles besser, die Gütersloher haben den Wagen dann einfach zugelassen, einen neuen Brief ausgestellt, mit dem ich drei Tage später den Wagen in Bielefeld umschreiben lassen konnte. Wow!
- dann zickte das alte Schätzchen beim Fahren in Bielefeld herum, ging während der Fahrt (!!) einfach aus, deshalb lernte auch Beresa ihn kennen und machte ein paar Reparaturen an der Zündung.
- Start heute beim km-Stand von 300.226, und in Bielefeld steht unser Kirschbaum in voller Blüte!
Dann brauchten wir ja auch noch Visa für Russland, denn wir wollen ja auch nach Kaliningrad. Das ist alles genau geregelt und komplizierter als früher, weil Russland wohl als Reaktion auf die Sanktionen der EU die Bedingungen verschärft hatte. hat. Wir mußten insbesondere eine Auslandsreiseversicherung abschließen, was bei der Allianz letztlich klappte, und unsere „Rückkehrwilligkeit“ belegen durch Vorlage von Gehalts- bzw. Rentenvescheinigungen. Letztlich ging es dann aber mit sehr freudlicher und kompetenter Beratung durch die Agentur König-Tours in Brühl rasch über die Bühne. Jetzt können wir innerhalb von 30 Tagen zweimal nach Russland einreisen.
Daneben haben wir uns auf verschiedenen Wegen unserer neuen Etappe genähert, Bücher gekauft, Filme gesehen, waren auch auf der Leipziger Buchmesse (auf der ja Litauen das Gastland war) und haben dort u.a. eine Veranstaltung über und mit den sog. Wolfskindern erlebt. Dieser Begriff bezeichnet die Kinder und Jugendlichen, die im völlig zerstörten Königsberg allein oder mit verbliebenen Familienmitgliedern vom Hungertod bedroht ums Überleben kämpften, oft dadurch, dass sie nach Litauen fuhren oder gingen, wo sie relativ freundlich aufgenommen wurden, aber ihre deutsche Identität aufgeben mußten, einen litauischen Namen bekamen und schwer arbeiteten.Viele haben erst nach Jahrzehnten einen Weg gefunden, ihre deutsche Herkunft und ihren deutschen Namen wieder offen zu machen. Die meisten dieser „Wolfskinder“ sind natürlich längst tot, aber eine kleine Gruppe lebt, hat sich in einem Verein organisiert und versucht mit Hilfe durch die Gesellschaft für bedrohte Völker in der BRD endlich die Anerkennung als verfolgte Opfergruppe und eine Entschädigung zu bekommen. Vier von diesen jetzt alten Überlebenden waren in Leipzig und haben berichtet, was sehr berührend und erschütternd war.
Besonders dieses Erlebnis hat bei mir noch mal deutlich gemacht, dass wir auf unserer Fahrt immer wieder mit Kriegsfolgen, Vertreibung, nicht bewältigten Traumata konfrontiert worden sind und auch weiter konfrontiert werden. Das hatte ich mir bei Beginn des Projekts nicht so vorgestellt, aber dann haben wir in nahezu allen Ländern, in denen wir bisher waren, Spuren und Erinnerungen an eine Zeit gefunden, in der auch Deutsche dort lebten, die dann Opfer wurden und interniert, vertrieben und umgebracht wurden, aber auch Täter waren, sich zu den Nazis bekannten und die einheimische Bevölkerung beherrschen wollten.
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