Pilsen und Klatovy

Heute schauen wir uns zwei tschechische Städte an. Pilsen (167.500 EW)  und Klatory (22.400 EW). Das eigentliche Ziel sollte Prag sein, das ist aber kompliziert. So kurz vor dem 1. Mai sind viele der vielen  Unterkünfte ausgebucht und so spontan wie wir üblicherweise buchen, geht das da nicht. Hier ein Bild von Karl wie er sucht:

Karl Pilsen

 

Unser Reiseführer schreibt, das Pilsen kein Schmuckkästchen sei. Bei unserem Stadtspaziergang sieht es wunderbar normal aus. Obwohl, so viele alte und liebevoll restaurierte Hausfassaden aus dem Barock und der Renaissancezeit wie hier nur um den großen Marktplatz mit Dom versammelt sind, hat das ganze und viel größere Bielefeld nicht zu bieten. Das Rathaus ist aus dem Jahr 1559 und gefällt mir wegen des Sgraffitoschmucks besonders gut.

Pilsen Rathaus 2 Pilsen Rathaus

Diesen Kratzputz sehe ich später noch auf anderen Häusern. Für Böhmen ist er typisch. Der Putz am Pilsener Rathaus ist   besonders fein. Auf dem großen Platz der Republik gibt es ein kleines Kiosk mit Bänken. Dorthin setzen wir uns, trinken Kaffee und wärmen uns an der Sonne. Die haben wir bislang sehr vermisst. Mit uns sitzen dort verschiedene Gruppen: Arbeiter trinken (viel)  Bier  – 0,5 Liter Bier ist deutlich günstiger als die Tasse Kaffee -, ein kleinerer Familienverbund Roma oder Sinti verbringt  dort den Vormittag, und verschiedene andere Paare pausieren auf einen Kaffee oder eine Limonade oder essen dicke rote Würste. Alles sehr friedlich, sehr gemütlich an diesem sonnigen Montagvormittag. Alle Museen haben natürlich geschlossen. Deshalb  können wir kein großes Programm machen und  lassen es heute ganz langsam angehen.

Pilsen hat die viertgrößte Synagoge der Welt mit mehr als 2000 Sitzplätzen. Und sie wurde nicht zerstört! 1892 eröffnet, war sie nur für kurze Zeit Mittelpunkt einer größeren jüdischen Gemeinde. 3200 Gemeindemitglieder wurden von den Nazis verschleppt und nur etwas über 100 Menschen überlebten. Viele Heimkehrer wanderten in den nächsten Jahren nach Israel und die USA aus. Auch heute hat die  Gemeinde nur noch gut 100 Mitglieder.

Pilsen SynagogePilsen Synagoge 1

Das Antiquariat hat für Karl leider nur alte Bücher, die nicht vollständig sind und deshalb in Tschechien bleiben. Ich finde aber ein kleines Bändchen, das meine Fachbibliothek für die Herrenschneiderei aufs vortrefflichste erweitert.

Pilsen Antiquariat

In Pilsen gibt es noch zwei Besonderheiten.
Hier wurde zuerst das Pilsener Urquell hergestellt. Die Firma gehört jetzt zu einem japanischen Konzern. Ein Ergebnis der Privatisierung im Rahmen der Einführung der Marktwirtschaft. Ich bin keine große Biertrinkerin, aber hier schmeckt mir das Bier. Es gibt natürlich ein Museum, Fabrikverkauf und Führung durch die Produktionsanlagen. Wir machen das alles nicht, heute ist ja ein gemächlicher Tag.

Skoda, 1859 in Pilsen gegründet, entwickelte sich zu einem großen Maschienenbauunternehmen. Die Autosparte wurde übrigens erst 1925 dazugekauft. Nach der samtenen Revolution ist auch diese Firma in Sparten zerschlagen und verkauft worden. Die Automobilsparte gehört schon  seit 1991 zu VW. Über die Geschichte und die Entwicklung dieses Konzerns ließe sich ein eigener sehr interessanter Bericht schreiben. Ich verzichte hier darauf.

Mittags sind wir 40 Km in die nächste größere Stadt Klatory gefahren. Klatory (früher Klattau) ist die Eingangspforte zum Böhmerwald und hier sollen viele Nelken gezüchtet werden. Beides, Wald und Nelken, haben wir bislang noch nicht gesehen, die nette kleine Altstadt aber schon. Allerdings sind am Horizont schneebedeckte Berge, das wird wohl der Böhmerwald sein. Auf dem alten Markt packen gerade die Marktbeschicker zusammen. Verkauft wurde Kleidung und Schuhe, einige Kräuterbüsche und Holzgeschirr. Bemerkenswert sind die großen Kirchen.

Klatovy 1 Klatovy 2

Unter der ehemaligen Jesuitenkirche besichtigen wir die absolute Attraktion der Stadt. Mönche und bestimmte reiche Bürger und Bürgerinnen haben sich von 1676 bis 1783 in der Krypta bestatten lassen. Die besonderen klimatischen Verhältnisse haben zu einer Art Naturmumifizierung geführt.

Klatovy Mumifizierung

Danach wurde diese Art der Begräbnisse verboten. 30 erhaltene Mumien liegen nun  in Glassärgen und können besichtigt werden. Die anderen 130 Leichen sind nach unsachgemäßen Renovierungsarbeiten verdorben und wurden auf dem Friedhof bestattet. Die EU hat mitfinanziert und es ist ein ganz modernes Museum um dieses besondere Phänome entstanden. Wir haben in den Katakomben Fotos gemacht. Ich stelle sie aber nicht hier ein. Wer will kann die Seite im Internet anklicken. Ich habe mir einen Film angeschaut, bei dem der Kopf und besonders interessant, die Kleidung einer dort bestatteten Gönnerin des Klosters rekonstruiert wurde. Die lebensgroße Figur steht nun neben dem Sarg mit der Mumie. Eine großartige handwerkliche Leistung ist diese Rekonstruktion.

Leider nicht geöffnet (Montag) hatte die alte Einhornapotheke aus dem 17. Jahrhundert. Besichtigt werden kann dort auch das Horn eines Narwals das fälschlicher Weise lange als Horn eines Einhorns galt.

Einhornap.

Nun, trotz der geschlossenen Museen hat Klatory uns auch so einen vergnüglichen Nachmittag in der Sonne beschert.

Pilsen Sonne

Und abends gab es wieder böhmische Knödel mit Fleisch in Soße, dieses Mal von vorzüglicher Qualität. Ich lerne auf dieser Reise die Klöße aus Mehl und Hefe zu schätzen. Hier, wo sie herkommen, schmecken sie echt gut und haben wenig mit dem zu tun, was ich sonst immer mal probiert und nicht gemocht habe.

Wohin geht es Dienstag? Jetzt doch nach Prag? Wir wissen es noch nicht. Entschieden wird vermutlich beim Frühstück.

 

 

Merken

Merken

Merken

Neueste Beiträge

Neueste Kommentare

Mechthild Verfasst von:

Schreibe den ersten Kommentar

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert