Sarajevo gefällt uns sehr. Es hat so viele unterschiedliche Aspekte, Stadtteile, Museen. Heute haben wir noch mal einen bunten Strauß gepflückt. Gleich am Morgen sind wir zu Fuss in Richtung Nationalmuseum und Historisches Museum gegangen. Beim Gang durch die Stadt bemerkten wir, wie viele der Häuser noch Einschusslöcher in den Fassaden haben. Wir kamen am Parlamentsgebäude vorbei und am bekannten Hotel Holiday Inn, das während der Belagerungszeit der Ort war, an dem die meisten ausländischen Korrespondenten arbeiteten. Jetzt sind die Kriegsschäden beseitigt, aber es ist geschlossen. Und wir machten Pause im großen Einkaufszentrum. Da entdeckte ich diesen Spruch an der Wand:
Museen sind wie Wundertüten. Es ist nicht, klar ob der Inhalt gefällt. Das Nationalmuseum von Bosnien und Herzegovina hat ganz sichtbar viel zu wenig Geld für seine Aufgabe. Es besteht aus drei Teilen, der Archäologischen Abteilung, der naturwissenschaftlichen Abteilung und der Abteilung für Ethnografie und es gibt eine Bibliothek. Jede Abteilung hat ein eigenes Gebäude. Besonders um die Naturwissenschaftliche Abteilung steht es schlecht. Vergilbte, verstaubte Exponate in schrecklichen Schaukästen – ich habe nur kurz hereingeschaut und den kleinen Kindern, die mit ihrem Lehrer in Zweierreihe und an den Händen haltend hereingeführt wurden, das Feld überlassen. Die archäologische Abteilung ist sicher noch am besten in Schuss. Die Dauerausstellung der Ethnografischen Abteilung bestand aus nachgestellten Szenen typischer Situationen im osmanischen Sarajevo. Ganz interessant, aber auch deutlich ausbaufähig. Um das Museum ist innerhalb des Landes ein Streit entstanden. Ein Symtom fur die komplizierte Situation des Landes, welche Nation, welche Interpretation, wer bekommt wie viel Raum….
Das historische Museum demgegenüber ist ein Schatz.
Auch hier fehlt Geld und es gibt die gleichen Streitigkeiten. Alles bröckelt und vieles ist zerstört, aber hier passt es ins Bild. Ein Raum erklärt das komplizierte Gebilde Bosnien-Herzegowina und wie es dazu gekommen ist.
Und es gibt eine beeindruckende Fotoausstellung mit Bildern nach dem Krieg und nach der Instandsetzung.
In einem weiteren Raum wird erläutert, was das „Haager Tribunal“, der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien ist, wie es funktioniert , welche bosnischen Aspekte wichtig sind und welche Ergebnisse es gebracht hat.
Weitere Ausstellungen beschäftigen sich mit dem Alltagsleben in der jugoslawischen Zeit und dem Alltag während der Belagerung 1992 bis 1995.
Zur Erholung sind wir dann in einem der neuesten und dem höchsten Gebäude der Stadt in den 35sten Stock gefahren. Twist Tower. Eine spektakuläre Aussicht gibt es von oben. Die Fensterscheiben sind blau also haben alle unsere Fotos einen Blaustich. Der Besitzer des Turmes (und eines weiteren ähnlichen) sitzt übrigens in Untersuchungshaft; unser gestriger Führer Edin meinte, das sei ja schon verdächtig, wenn jemand ohne einen Pfenning hier ankomme und dann solche Türme bauen könne…
Am Nachmittag haben wir uns noch mal durch die Stadt treiben lassen. Es ist der letzte Tag. Morgen machen wir noch einen Abstecher nach Mostar und am Donnerstag verlassen wir dann Sarajevo.
Wir haben den schachspielenden Männern im Park zugeschaut, das eine und das andere Foto für die Brüder gemacht:
eine Bar mit Möbeln aus Fahrzeug- und Industrieteilen und eine Ankündigung für ein Theaterstück über Kurt gefunden
und am späten Nachmittag im orientalischen Teil der Stadt einem „gratis und live Konzert“ mit Volksmusik gelauscht.
Und zum Abendessen hatten wir oberhalb der Markthalle im Restaurant für lokale Speisen das beste Wiener Schnitzel seit langem. Regionale Speise Wiener Schnitzel? Klar, bis zum ersten Weltkrieg waren hier die Österreicher!
Kurt ist, glaube ich, Regisseur:
Das SARTR (Sarajevski Ratni Teatar), das Kriegstheater in Sarajevo, ist das einzige Theater, das während der fast vierjährigen Belagerung der bosnischen Hauptstadt ohne größere Unterbrechung aktiv war. Nicht immer gab es elektrisches Licht – und weil man Granatenbeschuss riskierte, mussten die Spielorte des Theaters zum Teil bis kurz vor den Aufführungen geheim bleiben. Der Regisseur Ales Kurt beschrieb diese Umstände im Gespräch als „einen Geburtsmoment eines lebendigen Theaters“. Jahre nach dem Krieg trägt das SARTR seinen Namen als Mahnung – und als ein Ort der Unrast in sich wandelnden Zeiten. Das Repertoire des SARTR ist deutlich moderner ausgerichtet als das des Nationaltheaters. Ales Kurt gilt in weiten Kreisen als der formal mutigste Regisseur des Landes – und Jean-Claude Grumberg (u.a. Drehbuchautor von Truffauts DIE LETZTE METRO) ist einer seiner Lieblingsautoren. Der Abend GOTT, KRIEG UND ANDERES besteht aus drei Teilen, komponiert aus drei Kurzgeschichten, die zusammen eine Art Passionsgeschichte erzählen. Ausgestattet mit körperlich intensiven und teils grellen Theatermitteln verleugnet die Aufführung nicht ihre Anlehnung und Hinwendung an Surrealismus und Aktionskunst. Inszenierung und Beteiligte (Darsteller, Ausstatterin, Regisseur) wurden in Bosnien mit verschiedenen Preisen ausgezeichnet. „Ales Kurt nutzt die Freiheit seiner Phantasie, Zeichen zu hinterlassen, die man mit seinen eigenen Erfahrungen entschlüsseln kann (…) um in die Nähe von Wahrheit zu gelangen über unsere Zeit und unser Theater. (Dino Mustavic, künstlerischer Leiter des Theaterfestivals MESS) Mitwirkende: Regie: Ales Kurt | Spiel: Belma Lizde-Kurt, Zan Marolt, Snezana Alic, Sonja Goronja, Mirela Lambic, Sead Pandur, Maja Salkic | Ausstattung: Amela Vilic Choreographie: Branko Potocan
Danke für deine Ergänzung Kurt. Ich habe natürlich nur auf das Wort „Kurt“ reagiert und gestern spät nicht recherchiert. Du hast etwas anklingen lassen, was kennzeichnend war für die Bevölkerung Sarajevos während der Belagerung. Sie haben so weit als möglich versucht ihr normales Leben aufrecht zu erhalten. Theateraufführungen sind ein Beispiel dafür. Im historischen Museum haben wir mehrere Beispiele dafür gesehen. Im Focusartikel zu dem Hotel steht dazu auch was geschrieben. Gruß Mechthild