Es regnet noch immer in Kotor, es regnet überhaupt an vielen Stellen hier auf dem Balkan. Und heute ist Ostersonntag, das hat die Kirchenglocke ab 5 Uhr in der Früh in regelmäßigen Abständen verkündet. Museumsbesuche sind bei Regen eine gute Idee. In Montenegro gibt es eine „Museumsstadt“, 5 Museen ganz nah beieinander. Das ist die alte Hauptstadt Montenegros, Cetinje. Sie war Hauptstadt vom Beginn des 15. Jh. bis 1918. Von Kotor nach Cetinje gibt es zwei Wege. Einer geht über die Berge und es gibt fantastische Ausblicke auf die Bucht von Kotor und atemberaubende enge Straßen mit wunderbaren Serpentinen. Der andere Weg geht zunächst an der Küste entlang und ist breiter und besser ausgebaut. Diese Straße soll auch für Autorennen genützt werden. Sie sagt es unser Reiseführer. Wir können uns nicht richtig entscheiden und beschließen hin über die Berge und auf dem Rückweg an der Adriaküste entlang zu fahren.
Zunächst also die Serpentinen mit den tollen Ausblicken. Beim ersten Blick hinunter auf die Bucht wird deutlich, diese Kreuzfahrtschiffe sind die Pest. Die gehören da wirklich nicht hin. Viel zu groß und mächtig; für Kotor und den Tourismus aber sicher absolut notwendig, leider. Wir bemerken es ja selber. Ohne die Tausende von Besuchern von den Schiffen gäbe es viel weniger Umsatz. Und die Umweltbilanz dieser Riesen ist auch eine Katastrophe.
Wir schrauben uns immer höher und höher. Leider wird der Blick nach unten auch immer schlechter, denn der Regen nimmt zu und die Feuchtigkeit in der Luft verdichtet sich zu Nebel. Stellenweise ist die Sicht unter 3 Meter. Bei engen Straßen ist das schwieriges Autofahren. Nun, wir haben es so gewollt.
Auf 860 Meter Höhe erreichen wir das Dorf Njeguši. Hier wird Schinken auf traditionelle Art geräuchert (die Schweine wachsen überwiegend in Serbien auf) und auch besonders guter geräucherter Käse soll hierher kommen und Honig wird auch dort produziert. Am Straßenrand gibt es kleine Verkaufstände. Da wir aber gerade keine Küche haben und die Produkte überall im Land verkauft werden fahren wir im strömenden Regen weiter in die alte Hauptstadt.
In Cetinje ist Vorsaison und trotz Ostersonntag und sicher wegen des Regens nicht viel los.Die alte Hauptstadt hat noch Spuren ihrer Funktion: an vielen Gebäuden finden sich Hinweise darauf, dass hier mal eine Botschaft war. Auch ein Hinweisschild auf die alte deutsche Kaiserliche Botschaft findet sich.
Einige Busse mit Touristen sind unterwegs und einige Familien. Wir sehen viele Straßencafes mit abgedeckten Stühlen und Tischen, fast alle Andenkenläden haben geschlossen. Viele Menschen haben sich in Cafes zurückgezogen. Dort ist es dann laut und fröhlich.
Ein Schmied schmiedet bei lauter Rockmusik vor einem Cafe ganz kleine Hufeisen und nimmt mich in den Arm, damit Karl ein Foto machen kann. Mein lieber Großvater war Hufschmied. Ich lasse mich also in den Arm nehmen und schaue freundlich drein. Ein Hufeisen kaufe ich aber nicht. Auch kein Holzbrett mit Hufeisen und meinem Namen.
Nun aber zu den Museen:
Das Ethnographische Museum gefällt mir sehr. Der Hauptschwerpunkt liegt auf den Textilien. Weben, Spinnen, Stricken – Beispiele für Trachten und Haushaltstextilien. Hier wird eine kleine Auswahl gezeigt. Die gezeigten Sachen sind benützt worden. Hier ein Beispiel für sorgfältige Flickarbeit.
Das Schloss von König Nikola Petrovic und seiner Frau Königin Milena, den europäischen Schwiegereltern. Sie haben ihre Töchter in andere Königshäuser verheiratet und insbesondere der König erregte offensichtlich Aufsehen mit seiner etwas orientalisch aussehenden „Dienstkleidung“. Nun, wir besichtigen sein Arbeitszimmer, sein Schlafzimmer und das seiner Gemahlin. Die Könige schliefen getrennt, die Mädchenschlafzimmer, Esszimmer und alles was so vorzeigbar ist. Nur Badezimmer werden nicht präsentiert. Dafür aber die Garderobe der Damen inklusiver der Badekleidung. Manchmal wird auf die Hersteller hingewiesen, vieles kam aus Wien.
Das historische Museum zeigt einen Gang durch die Geschichte von der Steinzeit bis ins frühe 20 Jh. Wir gehen durch die Räume, ich bin aber nur mittel interessiert. Keine englischen Texte und zu viele Waffen, Schlachtbilder, Fahnenfragmente und Urkunden.
Auch das Kunstmuseum zeigt eine Gang durch die Geschichte. Alte Ikonen, aber auch Skulpturen und Gemälde bekannter jugoslawischer und montenegrinischer Künstler und Künstlerinnen des 19. und 20. Jh. Besonders die moderne Kunst finde ich sehr interessant. Sicher das wertvollste Exponat ist aber eine uralte Ikone, die Muttergottes von Philermos. Diese ist in einer speziellen „Blauen Grotte“ ausgestellt und nicht zu photographieren. Der Evangelist Lukas soll das Bild persönlich gemalt haben. Ich glaub es nicht.
Und dann gibt es da noch das Kloster Cetinje. Wir schauen nur kurz hinein. Es ist Ostern und viele Gläubige und Priester feiern ihr Fest. Da braucht es keine neugierigen Touristen.
Länger verweilen wir bei einer großen Nachbildung Montenegros im Maßstab 1:10.000.
Das Land ist so bergig und so zerklüftet. Unglaublich. Hier wird uns das wieder einmal deutlich.
Der Besuch der alten Hauptstadt hat mir deutlich gezeigt, dass hier schon seit langer Zeit Menschen mit einem großen Eigensinn gelebt haben, die sich zunehmend als eigenes Volk verstanden. Das ging von den verschiedenen Stämmen über die ersten Fürsten, und ab dem späten 15.Jh. vereinten Fürstbischöfe die weltliche und die religiöse Macht. Alles endete mit König Nikola Petrovic, dem „Schwiegervater Europas“, der im Rahmen der politischen Ereignisse, die zum 1. Weltkrieg führten ins Exil gehen musste.
Montenegriner haben schon immer auf ihre Selbstständigkeit wert gelegt und waren auch im Jugoslawien eine eigene Teilrepublik. Morgen werden wir um die Bucht von Kotar fahren und dort erwarte ich, dass wir das noch mal bestätigt bekommen wenn wir uns die Geschichte der Städte vergegenwärtigen.
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