heute sind wir mit dem Bus zur Festung Petrovaradin hinauf gefahren, die auf einer Anhöhe in einer Donauschleife liegt und um 1700 in der jetzigen Form ausgebaut erbaut wurde. Es ist eine gewaltige Anlage, eine der imposantesten Europas.
Vor dem Besuch des Museums schlenderten wir noch allein über das Areal, bewunderten den Blick auf die Donau und auf das gegenüberliegende Novi Sad. Das Erdgeschoß eines der längsten zur Donau hin ausgerichteten Gebäude ist übrigens von vielen Künstlern besetzt worden, die über 20 Ateliers eingerichtet haben. Zwei waren draußen vor ihren Ateliers in der Sonne, die meisten waren noch zu, nur eins stand noch offen und der alte Maler lud uns herzlich in sein Gemach ein (er hat da auch ein Hochbett und lebt da wohl). Wir konnten angeregt mit ihm reden, er war in den letzten Jahrzehnten viel unterwegs, lebte in Paris, in Chile, malte viele charakteristische Bilder vom Amazonas-Urwald mit Lianen und Tukanen (die er liebt) und hat auch international viele Ausstellungen gehabt. Zivojin Miskow ist ein charmanter alter Schäkerer und wollte immer nur mit Mechthild reden.
Die Anlage hat noch eine berühmte Besonderheit, nämlich den Uhrenturm. Das Besondere an ihm ist etwas, was man erst auf den zweiten Blick erkennt: der große Zeiger zeigt die Stunden und der kleine die Minuten! Das soll symbolisieren, dass die Minuten eher unbedeutend sind und keine große Hervorhebung verdient haben und dass es wichtiger ist, die Schnelllebigkeit zu überwinden. Auf der Uhr im Beitragsbild ist es also nicht kurz vor 5.00 Uhr sondern etwa 27 Minuten nach 11.00 Uhr!
Im Museum bekamen wir dann eine persönliche Führung durch einen jungen sehr gut Englisch sprechenden Mann, der uns alle Abteilungen zeigte, wobei die zur militärischen Vorgeschichte einen breiten Raum einnahmen. Der ganze Festungsberg wird von unterirdischen Gängen durchzogen, von denen bisher 20km (!!) freigelegt sind und von denen man 5km besichtigen kann. Wir hatten aber im Rahmen dieser kleinen Führung quasi als Vorgeschmack nur 100m, was auch schon sehr spannend war, weil wir z.B. auch den zentralen über 60m tiefen Brunnen sahen, der die Trinkwasserversorgung der 10.000 Mann Besatzung garantierte. Anschaulich durch alte (deutschsprachige) Pläne illustriert wurde uns dann auch erklärt, wie Prinz Eugen von Savoyen 1716 das riesige türkische Heer von Sultan Ali Pascha besiegte. Das Grab des Sultan hatten wir schon auf dem Kalmegdan, der Festungsanlage von Belgrad gesehen.
Nach der obligatorischen Mittagspause gingen wir zum alten jüdischen Friedhof an der Ulica Doza Derda, der sich an einen alten, aber noch benutzten katholischen Friedhof anschließt. Hier war zum einen beeindruckend, wie Grabsteine mit deutscher, serbischer und ungarischer Beschriftung nebeneinander standen oder lagen, zum anderen aber auch, auf wie vielen Grabsteinen doch auch vermerkt war, dass einzelne Personen oder ganze Familien von den deutschen Faschisten umgebracht worden waren und immer wieder tauchte auch der Name „Auschwitz“ auf.
Der angrenzende katholische Friedhof gefiel mir auch sehr, weil er so „unordentlich“ war. Als Sohn eines Friedhofgärtners sind mir ja solche Stätten bekannt, und die deutsche Sitte, alle Grabstellen mit Marmorumrandungen zu versehen, viel Kies zu verstreuen und jeden Halm Gras herauszureißen, damit alles schön ordentlich ist und der Nachbar nichts zu meckern hat, ist mir immer schon ein Greuel (oder heißt das jetzt „Gräuel“?) gewesen. Hier standen Grabsteine auch mal schräg, manche alte Stätten waren mit Efeu völlig zugewachsen, kein Rasen war gemäht, hinter den Mauern des Friedhofes lebten Menschen in Hochäusern – Leben und Tod waren hier eng miteinander verbunden, und so soll es auch sein.
Abends waren wir dann zum Abschied in der Fußgängerzone, haben wieder den Trubel beobachtet und genossen, kamen uns vor wie in einer italienischen Stadt am Sommerabend und genossen serbisches Essen und Wein.
Wir wollen aber doch auch das eher ländliche Serbien kennen lernen und werden morgen ohne großen Plan im Nordwesten und Norden von Serbien herumfahren, der Vojvodina.
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