Albanien

frühmorgens am 1. Mai verabschieden wir uns von Ohrid und fahren nach Albanien; die Grenze ist gerade mal 30 km weg, der Grenzübergang ist völlig problemlos, außer einem Radfahrer will niemand hinüber. Nach ein paar Kilometern an der albanischen Südküste des Ohrid-Sees (hier sehen wir alle paar Meter Überreste eines Bunkers aus der Hodscha-Zeit) fahren wir durch Pogradec und dann auf die Nationalstrasse SH4 Richtung Westen. Wie weit wir kommen, ist noch nicht klar, im Prinzip wollen wir Anfang nächster Woche an der Adria sein, aber wie lange die Fahrt dauern wird, ist unklar, weil die Berichte über den Zustand der Strassen sehr bedenklich klingen. Erst mal fahren wir bis Korce. Das sind ungefähr 35 km, die Strasse ist hervorragend!

In Korce machen wir im Stadtzentrum Halt und sehen einen einem bunten und lebhaften Markt. Ich parke dort, sehe ein Verbotsschild, aber ein Händler meint, dass sei o.k., keine Probleme. Dieser Markt ist unglaublich: am Beginn gibt es Berge von gebrauchten Schuhen, Klamotten (incl. Strumpfhosen), dann aber auch lebende Tiere. Junge Männer haben einige junge Ziegen zu ihren Füßen liegen, ein älterer Mann läßt sich stolz mit seinen beiden Schafen photographieren, ein anderes Schaf wurde aber gerade an allen vier Beinen gefesselt hinter einen Schuppen getragen und wird vielleicht direkt geschlachtet. Eine ältere Frau beabeitet eine Unmenge kleiner Fische, mit wenigen Handgriffen hat sie sie von Kopf und Eingeweiden befreit, schmeißt sie in einen Behälter, und wir sehen das Endresultat: aufgereiht sind die Fische getrocknet und verzehrfertig.

Korce 1 Korce 2 Korce 3 Korce 4

Ein bißchen weiter auf dem Markt gibt es mehrere Kaffeeläden, wo die Bohnen direkt mit alten Maschinen gemahlen werden. Es herrscht ein unglaublicher Trubel und lebhaftes Stimmengewirr, für deutsche Augen ein völliges Chaos, für albanische sicher ganz normal. Als wir einen Kaffee trinken und ein paar Worte mit dem Verkäufer reden, kommt seine Tochter, die fließend Deutsch spricht, weil sie zehn Jahre in Deutschland war.

Korce 5

Die Atmosphäre ist fast orientalisch, auch was die Gerüche angeht. Die Armut wird aber deutlich an der Kleidung vieler Menschen und an dem Zustand vieler Häuser. Wir schon in Mazedonien fällt auf, wie viele Banken es gibt.

Ab jetzt ist die Strasse deutlich schlechter, immer wieder auch Strecken mit Schäden und Schlaglöchern, je höher wir in die Berge kommen, desto mehr Konzentration ist nötig, auch weil die Strasse enger wird und die Serpentinen in den Kurven teilweise recht eng sind. Ich bin froh, dass mir kein Laster entgegenkommt, aber überhaupt ist wenig Verkehr, was mich wundert, denn es muss doch zwischen den größeren Ortschaften Handel und Warenaustausch geben, und außer dieser Strasse, auf der wir fahren, gibt es nur unasphaltierte Nebenstrassen oder Feldwege.

Albanien Straße 1 Albanien Straße 3

Aber: die Gegend ist wunderschön! Faszinierende Blicke auf die Berge und Täler, blühende Wiesen, immer wieder auch Schaf- oder Ziegenherden, immer wieder auch Esel und Kühe, die angepflockt vor sich hin grasen. Wir kommen durch Erseke und Borove (oder Borova); hier fällt ein großes Denkmal offensichtlich mit einem Partisanen und einem Kind auf, und im Reiseführer lesen wir, dass hier die deutsche Wehrmacht eins ihrer Verbrechen beging, als sie nach einem Partisanenangriff auf einen Transport über 100 Frauen und Kinder erschoß. Für diese ist auf einem Hügel im Ort ein großes Mahnmal angelegt worden mit einem Gedenkstein für jedes Opfer, aber auch einem Denkmal für einen deutschen Soldaten, der sich geweigert haben soll, ein kleines Kind zu erschießen. Ich will noch mal weiter recherchieren, welcher Offizier für das Massaker verantwortlich war und ob nicht dieser standhafte deutsche Soldat selbst erschossen worden ist. Später erfahre ich aus dem allwissenden Internet, dass es die 1. Gebirgsjägerdivision der Wehrmacht war, die dies Verbrechen beging, die gleiche Einheit, die auch das Massaker von Kefalonia verübte, wo sie über 5000 italienischeSoldaten erschossen, die sich ergeben hatten, weil für Italien der Krieg zu Ende war.

Borove 2 Borove 1

Insgesamt geht es dann so halbwegs mit der Autofahrerei, aber die paar Kilometer brauchen schon viel Zeit. Vorher hatten wir überlegt, wenn es zu schlimm würde, einen Schlenker über Griechenland zu machen (ist ja alles dicht dabei), aber in Leskovik entscheiden wir uns, den Umweg um die Hochgebirgskette herum zu nehmen und fahren gen Nordwesten bis Permet. Die Strasse führt durch das Tal der Vjosa, einem immer größer werdenden Fluß, der aus Griechenland kommt und bis zur Adria fließt.

In Permet reicht es dann mit der Autofahrerei, incl. der Pausen haben wir für diese vielleicht 200 km ca. 8 Stunden gebraucht. In Permet erleben wir dann zuerst, dass alle Hotels voll sind, und wir begreifen dann, dass der 1. Mai in Albanien für viele ein Anlass zu großen Familientreffen ist, Freunde und Verwandte kommen aus Italien und Griechenland und feiern miteinander. Außerdem ist eine große deutsche Reisegruppe unterwegs (hierzu noch mehr). Letztlich finden wir aber doch einen Platz zum Schlafen in einem Hotel direkt am Fluß gegenüber dem bekannten Felsen. Permet hat eine wichtige Rolle gespielt für Albanien: hier wurde 1944 ein Kongress abgehalten, der die albanische kommunistische Regierung etablierte und die Monarchie beendete.

Albanien Bunker Albanien Straße 2

Die Stadt ist „modern“ im sozialistischen Stil, mußte ja auch komplett wieder aufgebaut werden, weil italienische und deutsche Truppen sie mehrfach zerstörten. Abends beim Bummel durch das Stadtzentrum wir auffallend, dass fast nur Männer zu sehen waren, die herumstanden und schwätzten oder vor Kneipen Domino spielten, Frauen tauchten nur in Gestalt von Mädchen auf (erst später kamen dann auch einige schicke Damen mit High Heels). Ich hatte den Eindruck, dass die Männer uns sehr kritisch anschauten, als wir da lang schlenderten und ich den Arm um Mechthilds Schultern gelegt hatte.

Premet

Beim Essen abends kommen wir in Kontakt mit der erwähnten deutschen Reisegruppe und ihrem Führer, einem jungen perfekt deutschsprechenden Albaner. Es ist eine Lidl-Reise!! Für eine Woche sind diese 45 älteren Herrschaften unterwegs, waren  schon an der Adria, wollen noch nach Mazedonien und werden die Reise in Ohrid beenden. Als ich mir vorstelle, wie sie mit ihrem Bus die Strecke fahren, die wir schon bewältigt haben, wird mir ganz schlecht. Der Reiseleiter Ivi aber tut uns noch einen Gefallen und ruft seinen Freund, den Leiter eines Hotels in Gjirokaster, an und sorgt für die Reservierung eines Doppelzimmers für uns am Wochenende. Wie wichtig das war, merkten wir dann am Samstag, als wir in Gjirokaster ankamen.

Neueste Beiträge

Neueste Kommentare

Karl Verfasst von:

Schreibe den ersten Kommentar

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert