Albanien – Berat

irgendwie ist bei mir ein Stück „die Luft raus“, ich schwanke zwischen Ideen für heutige Aktivitäten und Weiterfahrt nach Tirana Richtung Heimat. Es ist schwer, die Motivation für noch einen Gang durch eine alte Stadt zu finden, aber es gelingt dann etwas, wir machen uns auf den Weg zur alten Fußgängerbrücke über den Fluß Osum in das alte Viertel Gorica,

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das der Festung und dem Viertel Mangalemi gegenüber auf dem anderen Berg liegt. Im Park am Bulevard finde ich schöne Szenen des „normalen“ Lebens.

Bulevard2 Bulevard4

Als klar wird, dass es dort sehr enge und steile Gassen gibt, zieht Mechthild es vor, bummeln und shoppen zu gehen und ich mache mich allein auf. Es wird dann ganz interessant, weil nach wenigen Metern mich ein Mann anspricht und fragt, woher ich komme, und als ich das ihm sage, stellt er sich als Vassili vor und fängt an, mir alles zu zeigen und zu erklären. Es geht mit einer Mischung aus Italienisch und Englisch. Er führt mich als ausgemachten Touristen dann an die Stellen des Viertels, wo ich die beste Aussicht für das Photographieren habe,

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zeigt mir kleine Details an den alten Häusern (Türklopfer, alte Jahreszahlen der Erbauung, Rinnen zwischen den Häusern zum Wasserabfluß etc.) und erklärt mir auch, dass viele Häuser leerstehen, weil die Bewohner „emigriert“ seien nach Amerika, Deutschland oder Italien. Ich bekomme nicht heraus, ob die manchmal wiederkommen. Nur wenige Häuser sind renoviert, aber immer wieder zeigt mir Vassili etwas und meint stolz „antik! antik!“. U.a. zeigt er mir ein Gemäuer, was auf klassische alte Weise aufgebaut ist mit einer waagrechten Lage altem Holz zwischen den Steinen, das halte viel länger als das Haus nebenan („italienisch!“). In Gjirokaster hatte uns der Führer durch das eine Wehrturmhaus schon erklärt, dass diese Bauweise bei Erdbeben hilfreich sei, weil die Wand dann sich mitbewege und nicht gleich komplett umfalle. 1854 sind auch große Teile von Berat durch ein starkes Erdbeben zerstört worden. Ich bin ja kein Seismologe, aber ich kann mir vorstellen, dass in einem solchen erdbebenerfahrenen Land auf dem Balkan viel Erfahrungswissen in solche Bauweise eingeht.

Das Viertel mit den kleinen weiß gestrichenen Häusern, den meist sehr schmalen Wegen mit dem alten Pflaster, den Weinranken und Feigenbäumen in den kleinen Gärten hat einen großen Reiz und mir hat der Spaziergang viel Spaß gemacht, auch wenn es recht anstrengend war. Einmal trottelte da ein beladener Esel aus einer kleinen steilen Gasse, die wir dann hochgingen; zwei Männer arbeiteten an der Strasse, und ich begriff, dass der Esel den Bauschutt abtransportierte. Dafür hinterließ er dann auf dem Weg Unmengen seiner „Eselsäpfel“.

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Nach der obligatorischen Mittagspause machten wir uns dann noch mal auf den Weg in Museen. Wir gingen durch das alte muslimische Viertel und waren plötzlich vor dem sog. Medieval Center mit der Königsmoschee aus dem 13. Jahrhundert (beeindruckende geschnitzte Holzdecke), der Teqeja Helvetie (Tekke der Derwische, also ein Ort zum Rückzug, Studium, Lesen, Beten) aus dem 18. Jahrhundert mit originalen alten Wappen der albanischen Regionen und ebenfalls phantastischer Deckenarchitektur.

Moschee6 Tekke Tekke2 Tekke3

Der Führer war begeistert von allen Dingen, erklärte meist auf italienisch und ein bißchen englisch, und verschwieg auch nicht, dass in der kommunistischen Zeit in dieser Tekke Ping Pong gespielt wurde, weil Religionsausübung ja verboten war (Albanien hatte sich zum ersten atheistischen Staat der Welt erklärt). Diese Tekke gehört zu der Bektaschi-Glaubensgemeinschaft, einer islamisch-alevitischen Gruppe, die viele strenge muslimische Regeln nicht kennen (kein Ramadan, keine festen Gebetszeiten etc.).

In Nachbarschaft zu diesen Museen liegt dann noch das Ethnographische Museum, was wir auch noch besuchten. In einem restaurierten zweistöckigen Haus aus dem 18. Jahrhundert werden typische Arbeitsgeräte, Trachten, Wohnungseinrichtungen u.a. gezeigt in überschaubarer Zahl, so dass der Rundgang Spaß macht.

Ethno1 Ethno2

Abends dann Essen in einem bekannten Restaurant im Viertel Mangalemi, anschließend bleibe ich wieder auf dem Bulevard hängen, denn jetzt spielt Juventus gegen Real Madrid.

 

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