Skopje – Tag der Geschichte

heute, Mittwoch den 22.04., sind wir früh unterwegs, wollen einen Museumstag einlegen, aber auch bummeln. Den Bulevard Macedonija geht’s „downtown“, ein Frühstückskaffee muss sein. Wir sitzen schräg gegenüber dem zum touristischen Zentrum ausgebauten Geburtshaus von Mutter Theresa und sehen auch ihre Statue; das Haus ist derart monströs und häßlich, dass der Photoapparat sich weigerte, es aufzunehmen. Am Ende des Bulevards finden wir die Reste des ehemaligen Bahnhofs von Skopje, an dem die Außenuhr stehengeblieben ist bei 17 Minuten nach 5 Uhr – das ist die Zeit des ersten Erdstoßes des gewaltigen letzten Erdbebens hier vom 26. Juli 1963, das zahlreiche Gebäude zerstörte, über 100.000 Menschen obdachlos machte und über 1000 tötete. Im alten Bahnhof ist jetzt das Museum der Geschichte Skopjes untergebracht, in dem u.a. eine Ausstellung mit Photos und Filmen die damalige Katastrophe dokumentiert, aber auch die großartige internationale Solidaritätsaktion zum Wiederaufbau.

Skopie alter Bahnhof

Nachmittags besuchen wir das Museum des Mazedonischen Kampfes um Unabhängigkeit (Museum of the Macedonian National Struggle). Dieses Haus – auch ein monumentaler Neubau im Rahmen von „Skopje 2014“ – ist etwas Besonderes, denn man da nicht allein durchgehen, man muß warten, bis sich ein paar Leute angesammelt haben (zu uns kamen noch 3 Schotten), und dann gibt es eine Tour, die von einem studierten und gelehrten Menschen geführt wird, der eine Stunde lang durch die vielen Abteilungen führt und die Geschichte Mazedoniens in den letzten drei Jahrhunderten erklärt. Hier allein durchzugehen hätte wirklich keinen Sinn gemacht. Wir wurden von einem sehr netten jungen Mann geführt, der sehr gut informiert war und von uns (und wohl auch von sich) so begeistert war, dass wir fast zwei Stunden unterwegs waren. Er redete nahezu pausenlos, dabei mit heftigem Akzent, manchmal schwer zu verstehen.

Skopie Nationales Museum

Als ich am Schluß im Cafe mit Mechthild zusammensaß und versuchte, mal ein Resume zu ziehen, fiel das richtig schwer. Was sind denn nun eigentlich die Mazedonier? Offensichtlich eine Ansammlung unterschiedlichster slawischer Stämme, die vor Jahrhunderten sich auf dem Balkan niederließen, rasch christianisiert wurden und einen Raum besiedelten, der Teile von Bulgarien, Serbien, Albanien, Griechenland und das jetzige Mazedonien umfaßte. Dieses Gebiet war immer schon Spielball im Interessenkampf aller möglichen Mächte, wurde mal von Bulgarien, dann von Serbien einverleibt, Griechenland übernahm Teile, auch Albanien, war Jahrhunderte unter osmanischer Herrschaft, und immer schon gab es widerständige Bewegungen mit dem Ziel, ein unabhängiges Mazedonien zu bilden. Diese Bewegungen wurden immer zerschlagen, und im Museum gab es überall mit Wachspuppen nachgebildete Personen der Geschichte und riesige Gemälde (alle in den letzten Jahren von einem russischen Künstler gemalt) mit Darstellungen von Kämpfen und Massakern.

Neu war für mich die Information über die Situation des Landes in Jugoslawien, was ja 1929 aus dem kurzlebigen Königreich Jugoslawien entstanden war, unter der Herrschaft Titos. Naiverweise hatte ich den immer abgspeichert als den „guten Kommunisten“, weil er sich ja von Stalin distanziert hatte und „sein“ Land dem Westen annäherte, aber ich erfuhr jetzt, dass es zwar der durchschnittlichen Bevölkerung recht gut ging mit viel Freiheiten (incl. Rock’n Roll), dass aber alle die, die Tito kritisierten und z.B. weiterhin für Rechte Mazedoniens sich einsetzten, gefangen genommen wurde, in Lagern verschwanden, umgebracht wurden. Die Gefängnisinsel Goli otok in Kroatien bei der Insel Rab war das Staatsgefängnis und wurde als Titos KZ bezeichnet; hier wurden auch viele mazedonische Intellektuelle interniert und durch Schwerstarbeit umgebracht.

Danach war zum Tagesabschluß noch mal ein Besuch im Alten Bazar nötig mit einigen Kebap-Würsten und wieder ein Gang über die Steinerne Brücke mit Blick auf den Fluß.

Skopie am Abend Skopje abend2

 

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